Möbelvisionen: Spannungsfeld zwischen Mensch und KI

Rund 150 Gäste kamen jetzt wieder ins Furniture Future Forum nach Bünde. Dass jeder Platz besetzt war, lag sowohl an der Beliebtheit des Konferenz-Formats als auch an der Thematik, die bei den „Möbelvisionen 2026“ im Raum stand – und weit über die Einrichtungsbranche hinausreichte: „Mensch & KI in der Möbelindustrie“. Antworten lieferten die Keynote-Speaker Bert Martin Ohnemüller und Verena Fink, die beide das Publikum aktiv einbezogen. Das neue Open-Mic-Format bot der Community die Gelegenheit, direkt Fragen an die Experten zu richten.

Verena Fink, Strategieberaterin bei Woodpecker Finch, zeigte in ihrem Vortrag auf, welch´ tiefgreifende Veränderungen KI für das Arbeitsleben bringt. Während bis 2030 in Deutschland rund fünf Millionen Fachkräfte fehlen, revolutioniert Künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt, ohne dass wir als Gesellschaft die genauen Auswirkungen bereits abschätzen können. „Den plötzlichen Erweckungsmoment gab es im Winter 2022 mit dem Hype um ChatGPT“, erklärte Fink. Seitdem habe sich die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine grundlegend verändert. Text, Bild, Video – in kürzester Zeit hat eine Vielzahl von KI-Anwendungen die Content-Produktion auf den Kopf gestellt.

Verblüffendes Experiment: Anhand eines Prompts demonstrierte die KI-Expertin, wie sich die KI-Software Stable Diffusion das Publikum im Furniture Future Forum vorstellte – mit dem Ergebnis einer recht eintönigen, stereotypen Gesellschaft von weißen Männern in Anzügen. Der Effekt machte deutlich: KI stützt sich auf vorhandene Daten und reproduziert dadurch Muster. Die Gefahr: Werden keine neuen Daten eingespeist, verstärkt sich die Uniformität der Ergebnisse in der sogenannten Autophagie-Schleife und es kommt zum Model Collapse.

Als Strategie empfiehlt Verena Fink auf Basis aktueller Studien die Cyborg-Methode anzuwenden – also die kombinierte Nutzung von menschlicher Expertise und KI. Gleichzeitig stellte sie klar: „Wir haben bisher noch keine Wunderlösung. Das, was wir bisher im Alltag nutzen, ist ausschließlich auf dem Prinzip Machine Learning aufgebaut, einer Methodik, die auf Wahrscheinlichkeiten basiert. Eine KI, die menschliche Schlussfolgerungen oder Gefühle nachvollziehen kann, existiert bislang nicht. Wir haben keine KI, die weiß, wie sich Sodbrennen anfühlt.“

Gleichwohl lassen sich bereits heute zahlreiche Anwendungen gewinnbringend einsetzen – etwa im Product Design oder in der B2B-Kommunikation, wo individualisierte Kundenprofile mithilfe von KI präzise erstellt werden können. Auch beim Lead Scoring könne sie unterstützen, um die Wirksamkeit von Marketingmaßnahmen zu prognostizieren und Strategien im CRM-Management gezielt anzupassen.

„KI eats jobs for breakfast“ – die Angst, dass KI-Technologie den Menschen verdrängt, ist allgegenwärtig und ein Dauerthema in den Medien. Doch Verena Fink zeigte auf, dass in dieser Phase der Transformation auch neue Rollen entstehen, die von Menschen ausgeübt werden – vom Customer Experience Modeller, Next Best Action Strategist bis hin zum Human AI Interaction Coach, Trend Data Designer oder Creative Prompt Engineer. Nicht jede/r werde ersetzt, aber es könne jede/r seine Rolle neu (er-)finden. Der Schlüssel zum Einstieg in die Nutzung von KI und zur Überwindung mentaler Barrieren liege in kleinen, praxisnahen Pilotprojekten mit erkennbarem Mehrwert für das Team. „KI-Akzeptanz entsteht durch reale Erfahrung“, betonte sie.

Bert Martin Ohnemüller, Business-Philosoph und Autor, appellierte in seiner Keynote an das Publikum, was im Zentrum allen menschlichen Handelns stehen sollte: die Freude am Leben und natürlich auch an der Arbeit. Sein Vortrag führte tief in menschliche Verhaltensmuster hinein: „Unser Gehirn ist ein Problemsuchprogramm. Der sogenannte Negativitäts-Bias lässt uns oft fragen: Was ist, wenn es nicht klappt?“

Aus diesem Wahrnehmungsmodus heraus leitet Ohnemüller fünf zentrale Problemfelder des menschlichen Verhaltens ab:

  • Wertevernichtung: „Biochemie kann dumm machen. Wir müssen Verantwortung für unsere Emotionen übernehmen.“ Die meisten Ängste seien oft völlig unbegründet und führten zu Blockaden und Verweigerung.
  • Hilflosigkeit: „Niederlagen führen zu oft zur Resignation. Dabei gelte es, aus Niederlagen zu wachsen, wieder aufzustehen. Dazu gehört allerdings der Mut zur Konfrontation mit unangenehmen Situationen.“
  • Abhängigkeit: „KI ist ein wunderbarer Diener, aber ein gefährlicher Meister. Sie funktioniert wie ein dopamingetriebenes System – wie eine Slot Machine für den Geist. Die Gefahr der intellektuellen Entmündigung ist durch KI größer denn je.“
  • Emotionslosigkeit: „Wir sind zu verkopft. Doch der Goldstandard ist Emotion. Zwischen Lachen und Weinen liegt der Ozean der Langeweile.“
  • Widerstand gegen Perspektivwechsel: „Wir neigen zum Schlechtmachen. Veränderung beginnt durch Schmerz oder Einsicht“, mahnt Ohnemüller und rät: „Streichen Sie das Wort ‚Problem‘ aus Ihrem Wortschatz – wer über Probleme redet, schafft Probleme. Reden wir über Lösungen.“

In der anschließenden Diskussionsrunde sprachen Bert Martin Ohnemüller, Frank Michna (Team M. GmbH), Andreas Smentkowski (Market Minds) sowie die Gastgeberin Katrin de Louw und Moderator Sascha Tapken (Home.Made.Storys.) über den gesellschaftlichen Umgang mit dem KI-bedingten Wandel. Warum fällt es Deutschland so schwer, sich aktuellen Herausforderungen zu stellen? Warum herrscht eine so ausgeprägte Negativkultur? Ohnemüller betonte: „Die Gesellschaft ist die Summe ihrer Teile. Sie kann sich nur bewegen, wenn jeder Einzelne bei sich selbst anfängt. The Power of One – dieses Motto zählt mehr denn je.“

Frank Michna riet dazu, Veränderung zur Abwechslung auch mal „kleinzureden“. Angst vor KI helfe nicht weiter – die Technologie lasse sich ohnehin nicht aufhalten. Wer sie als Zusatzqualifikation statt Bedrohung sehe, könne Implementierungsprozesse positiv gestalten. Begeisterung entstehe, sobald Mitarbeitende selbst mit KI experimentieren und Nutzen erkennen, womit er an die Keynote von Verena Fink anknüpfte.

Als KI-Einstiegsmethode rät Frank Michna zu einer Bestandsaufnahme: Welche Routinen kosten Zeit, welche nerven besonders, welche sind überflüssig? Muster erkennen, analysieren, recherchieren, zusammenfassen und noch viel mehr – dabei kann KI bereits entlasten. Zum Prompten gab der Kommunikationsexperte kreative Tipps: „Formulieren Sie Ihre Aufgaben ungewöhnlich!“ Etwa: „Schreibe mir eine Analyse wie Sherlock Holmes.“ Oder: „Behandle meine Frage wie Albert Einstein.“ So entstünden oft originellere, bessere Ergebnisse.

Beim Thema Datenschutz mahnte Frank Michna klare Regeln an. „Ein KI-Verbot ist keine Option“, so Michna. Aber sensible Kunden- und Unternehmensdaten hätten nichts in öffentlichen Tools verloren. Bezahlmodelle böten zudem die Möglichkeit, Eingaben nicht als Trainingsdaten zu verwenden. Die Nutzung lokaler Systeme sei bei sensiblen Daten ratsam, dazu braucht es allerdings ein klares Bild von IT-Organisation und -Struktur. Auch die Regulierung durch den EU AI Act wurde thematisiert, der unterschiedliche Anwendungen nach Risikoklassen strukturiert.

Im Verlauf der Diskussion wurde deutlich, dass komplexe Themen nie eindimensional zu betrachten sind. Bert Martin Ohnemüller verwies etwa auf den immensen Energieverbrauch von KI-Infrastruktur. Aus wirtschaftlicher Sicht sei bemerkenswert, erklärte Frank Michna, dass viele große KI-Unternehmen bislang dramatische Verluste schreiben. So habe OpenAI laut Analysen im letzten Quartal einen Verlust von rund 11,5 Milliarden US-Dollar verursacht. „Der Markt ist noch längst nicht gesetzt – und doch arbeiten wir schon sehr intensiv damit. Das fühlt sich seltsam an“, kommentierte Michna.

Zwei Mitgliedsunternehmen des Furniture Future Forum gaben auf den „Möbelvisionen“ Einblicke in aktuelle Entwicklungen: Nerses Fatunz (Sonae Arauco) präsentierte neue, nachhaltige Werkstoffe. Das Unternehmen gilt als Pionier im Holzrecycling – recyceltes Holz ist bereits heute Hauptbestandteil der regulären Spanplatte. Nun steht auch MDF mit einem hohen Recyclinganteil im Fokus: „BioReFiber“ kombiniert wiederverwertete Fasern mit einem biomasse-ausgeglichenen Harz und reduziert den CO₂-Fußabdruck so um bis zu 25 Prozent. Der Launch ist für das zweite Halbjahr 2026 geplant. Unter dem Motto „Matching our Nature“ zeigte Fatunz außerdem Holzdekore der „Innovus“-Kollektion unter anderem mit warmen Eichentönen.

Wim Brinkman, Area Manager Deutschland bei Alvic, stellte das spanische Unternehmen vor, das seit 1965 Oberflächen für Küchen- und Badmöbel produziert und in über 130 Ländern aktiv ist. Die Produktlinie Alvic Zenit 3.0 steht für „Supermatt ohne Grenzen“, darunter auch trendige Metallic-Töne. Alle 60 Dekore werden im belgischen Zentraldepot gelagert und können so innerhalb von fünf Arbeitstagen geliefert werden. Weiter geht es nach dem Jahreswechsel mit dem Programm im Furniture Future Forum: Am 19. Februar 2026 dreht sich alles um Architekturtrends, die auch das Möbeldesign beeinflussen. Themen wie Smart Living, Bauen mit Holz und Green Architecture stehen dann im Mittelpunkt.

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