Die Branche muss jetzt umdenken

Bis auf eine prominente Ausnahme hat der Leichtbau in der Möbelindustrie noch nicht den entscheidenden Durchbruch geschafft. Das sieht auch Sebastian Plate, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Leichtbau (Igel), so. Dennoch gibt es spannende Innovationen, etwa im Bereich Verbinder oder Klebstoffe, die der Technologie einen Schub geben könnten. Die HK traf Sebastian Plate in Lemgo zum exklusiven Interview. Der Beitrag erscheint in der HK 6/25. Auszüge daraus können Sie schon jetzt online lesen.

Igel-Geschäftsführer Sebastian Plate mit einigen Material-Mustern. Foto und Interview: Julia Gottschick

Herr Plate, 2025 wird die Interessengemeinschaft Leichtbau 17 Jahre alt. Wohin hat sich der gemeinnützige Verein in dieser Zeit entwickelt?

Igel hat 2008 mit acht Gründungsmitgliedern angefangen und ist mittlerweile zu einem Netzwerk von rund 100 Mitgliedsunternehmen und 350 Experten aus Deutschland und den Nachbarländern gewachsen. Das war ein gesundes Wachstum. Vom Klebstoff-Hersteller über die Zulieferindustrie, Papierwaben-Produzenten bis zu Herstellern von Deckschichten und Kanten: Beim Igel haben wir die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet. Natürlich sind die Maschinenhersteller und der Caravan-Bau ebenfalls vertreten – der größte Leichtbau-Anwendungsbereich derzeit. Zudem gehören Forschungsinstitute, Fachverbände, Hoch- und Berufsschulen sowie große Messen wie Interzum und Ligna zum Netzwerk. Das ist ein gutes Miteinander.

Wie sieht die Arbeitsstruktur beim Igel heute aus?

Unser Vorstand ist mit vier Mitgliedern aus der Industrie besetzt: Jowat mit Klaus Kullmann, Kerstin Koch-Ugolini von Koch Maschinenbau, Daniel Beck von Würth und mir. Der erweiterte Vorstand – rund 20 aktivere Mitglieder – organisiert Messen und das Leichtbau-Symposium alle zwei Jahre. Je nach Themen bilden wir Arbeitsgruppen: Im Caravan-Segment etwa wollten wir jüngst Dachstauschrank-Klappen prüfen. Weil es dazu keine Richtlinie gab, haben sich Caravan-Hersteller und Zulieferer zusammengetan und eine Prüf-Vorrichtung entwickelt. Auch, wenn wir mit „Igel on tour“ Unternehmen besuchen, findet die Vorbereitung in einer Arbeitsgruppe statt.

Ganz zu Anfang gab es nur wenige Materialien wie die „Eurolight“-Platte von Egger. Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten getan?

Viel! Leichtbau ist kein neues Thema – im Gegenteil: Erste Lösungen gab es schon vor Jahrzehnten, etwa die Röhrenspanplatte aus dem Sauerland. Der Blick in aufgeschnittene Zimmertüren zeigt: Solche Leichtbaustoffe begleiten die Branche seit Generationen. Als Meilenstein im industriellen Leichtbau lässt sich auch die „Eurolight“ einordnen. Wo ist die Reise seither hingegangen? Da muss man bloß durch unseren Muster-Koffer gucken: Es gibt vielfältige Materialien für unterschiedliche Einsatzbereiche. In Sachen Werkstoffe haben wir Waben, Schaum oder leichte Hölzer als Kernschicht. Aus dem Kunststoffbereich gibt es dekorative Leichtbauplatten für den Messe- und Objektbau, zudem Aluminiumwaben für besondere Anforderungen im Schiffs- und Bahnverkehr. Bis hin zu echten Hightech-Holz-Produkten wie der „Lisocore“-Platte mit dreidimensional geformter Kernstruktur aus Holzwerkstoffen oder der „Aerowood“-Platte aus geschältem Wellenfurnier.

Wie können sich Interessierte genau über die Details informieren?

Unseren Koffer mit inzwischen 50 Mustern verschicken wir europaweit als Multiplikator. Auf jedem Muster sind der Aufkleber der Firma sowie ein QR-Code zu finden. Wenn man den scannt, kommt man zur Datenbank auf unserer Website, wo Materialien hinterlegt sind – inklusive Firmen-Kontaktdaten, technischer Datenblätter und Verarbeitungsempfehlungen. Denn wer Leichtbau-Platten verarbeiten will, braucht das Know-how: Wie bekomme ich eine Kante dran? Wie befestige ich einen Dübel? Mit welcher Maschine verarbeite ich die Platte? Auf der Website erfährt man alles über Werkstoffe, Klebstoffe und Verbindungsmittel. Außerdem wollen wir noch eine Rubrik zum Maschinenbau einrichten. Gebündeltes Wissen gibt es zudem in unserem Igel-Leichtbau-Handbuch. Beides bieten wir über die Homepage an.

Abgesehen von Ikea und einigen kleineren Möbelherstellern findet Leichtbau im industriellen Maßstab so gut wie gar nicht statt. Was sind die Gründe für die Zurückhaltung?

Die Verarbeitung im Leichtbau ist komplex. Die mittelständische Möbelindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einen Maschinenpark aufgebaut, mit dem es viel einfacher ist, eine Span- oder eine MDF-Platte zu verarbeiten, als sich etwa mit Papierwaben-Platten zu beschäftigen. Daher kommt Leichtbau in der Küchenmöbelindustrie oder im klassischen Möbelsegment recht wenig vor.

Sind dabei auch die höheren Kosten ausschlaggebend?

Sicherlich. Eine einzelne Leichtbau-Platte ist aktuell teurer in der Anschaffung als eine Spanplatte und in kleinerer Stückzahl auch kostenaufwändiger zu verarbeiten. Richtig Sinn macht es nur in Serie, in der Massenproduktion. Hinzu kommt das Mindset der Konsumenten. Endkunden akzeptieren den Leichtbau noch nicht, weil sie überzeugt sind: Ein Möbel muss schwer und massiv sein, wenn ich darauf klopfe.

Das heißt: Der Leichtbau hat auch ein Image-Problem?

Ja, leider. Kunden empfinden die Platten als nicht wertig genug. Dabei ist Leichtbau in anderen Bereichen wie dem Automobilbau das Nonplusultra: Je leichter, desto besser. Dort ist schon angekommen, dass Leichtigkeit mit Leistungsstärke gleichzusetzen ist. Davon abgesehen, haben wir gar nicht genug Wald, damit sich alle Leute Massivholzmöbel hinstellen könnten. Auch ist die Nutzungsdauer eine andere als vor hundert Jahren, als der Schrank noch dreimal weitervererbt wurde.

Und der Leichtbau könnte helfen, Ressourcen einzusparen?

Auf jeden Fall. Das Thema Nachhaltigkeit kommt immer mehr bei der Bevölkerung an – gerade bei der jüngeren Generation, die nach und nach an Kaufkraft gewinnt. Sie versteht die Rechnung: Ich fälle einen Baum und kann entweder ein massives Möbel oder drei Leichtbau-Möbel daraus bauen. Auch die Möbelhersteller werben mit ihren Strategien zur Nachhaltigkeit: Da geht es um Verschnitt-Optimierung oder Energieeinsparung. Der nächste Schritt besteht darin, den Rohstoff Holz einzusparen. In Zukunft wird es auf EU-Ebene vermehrt politische Regulierungen zur CO2-Einsparung geben. Auch hier bietet der Leichtbau einen möglichen Lösungsansatz. Daher wollen wir künftig noch enger mit der Möbelindustrie zusammenarbeiten.

Was muss passieren, damit in der Möbelindustrie der Durchbruch gelingt?

Es muss ein Umdenken stattfinden – sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Herstellern, die den Aspekt der Nachhaltigkeit marketingtechnisch nutzen können. Es ist klar, dass wir künftig weniger Rohstoffe zur Verfügung haben: Unsere Wälder sehen katastrophal aus. Überdies haben auch andere Industrien großes Interesse am Werkstoff Holz, wodurch die Preise steigen. Etwa der Bausektor, der den Holzbau vorantreiben will. Recycling allein kann nicht die Antwort sein.

Das vollständige Interview erscheint in der HK 6/25

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