Eingrooven für den Aufschwung

Markus Schmalz ist Chefredakteur der HK.

Der Optimismus kehrt zurück: Interzum und Ligna sendeten im Mai ein kraftvolles Signal in die Möbel- und Zulieferindustrie. Die Weltleitmessen rissen die Branche nicht nur zwei Wochen lang aus der Monotonie des Krisenalltags. Sie erwiesen sich auch als Treiber für Geschäftsanbahnungen. Trotz etwas weniger Besuchern als 2023 waren die meisten Aussteller sehr zufrieden. Und: Es gab so viele Innovationen zu sehen wie lange nicht mehr. Diesen Steilpass sollten die Möbelproduzenten jetzt nutzen, um sich mit attraktiven Sortimenten für 2026 zu rüsten. Damit die langsam wieder in Konsumlaune kommenden Endverbraucher ihr Erspartes dann für Möbel und nicht für den nächsten Urlaub ausgeben.

Besonders beeindruckend fand ich auf der Interzum die Neuheiten der Beschlägehersteller. Ob das neue Boxsystem von Blum mit montagefreundlichem Faltboden, Häfeles mega-flexibles Wohnmodul oder das motorisierte Einschubtürensystem von Salice – um nur drei Beispiele zu nennen: Der Bereich Möbeltechnik sorgte für jede Menge Wow-Effekte. Kein Wunder, dass an den Ständen der Big Player oft kaum ein Durchkommen war. Sehr erfreulich entwickelte sich in Köln zudem die Halle 1.2, in der sich beim letzten Mal noch mancher Aussteller von den Besucherströmen abgeschnitten fühlte. Diesmal hingegen brummte es im „Westend“, was unter anderem an den dort platzierten Zugpferden aus dem Bereich Oberflächen/Werkstoffe lag. Kleiner Wermutstropfen: Gerade in diesem Segment fehlten zwar nur wenige, aber durchaus namhafte Unternehmen.

Auch die Ligna überzeugte mit gut gefüllten Hallen und einer zuversichtlichen Stimmung. Die zahlreichen Gespräche mit Besuchern aus aller Welt führten bei einigen Maschinenherstellern sogar zu unerwarteten Aufträgen. Für das Fachpublikum hat sich der Trip nach Niedersachsen definitiv gelohnt, wurden doch überraschend viele Produktpremieren vorgestellt. Darunter auch das eine oder andere komplett neue Verfahren – wie etwa ein Karussellsystem der SCM-Tochter Tecno Logica, das eine vertikale Kantenbearbeitung ermöglicht. Insgesamt ging der Trend zu weniger Live-Maschinen und mehr digitalen Tools. Vorreiter waren hier Biesse und IMA Schelling, die in erster Linie per Live-Streams und Videos über aktuelle Fertigungstechnik informierten. Zu diesen Auftritten gab es unterschiedliche Meinungen. Die einen fanden es zeitgemäß und freuten sich über Gespräche ohne Maschinenlärm im Hintergrund. Andere zeigten sich enttäuscht, weil sie Technik zum Anfassen erleben wollten.

Heiß diskutiertes Thema in Hannover waren die zahlreich angereisten chinesischen Aussteller. Dass diese mittlerweile sehr ernst zu nehmen sind, sieht man allein daran, dass Unternehmen wie KDT oder Nanxing jährlich über 10.000 Maschinen rund um den Globus verkaufen. Mancher Anbieter aus dem Reich der Mitte installiert inzwischen auch vollverkettete Anlagen bei Möbelherstellern in Übersee. In Europa scheitern Investitionen in chinesische Technologien häufig noch am Kunden- und Ersatzteilservice. Das muss aber nicht so bleiben. Schon heute denken einige: „Wenn eine Maschine aus China nur 80.000 statt 150.000 Euro kostet, warum soll ich mir die nicht kaufen? Technisch gibt es da keine großen Unterschiede mehr – und der Service lässt bei europäischen Herstellern auch manchmal zu wünschen übrig.“

Umso mehr gilt es für die etablierten Produzenten, am Ball zu bleiben und ihre Hausaufgaben zu machen. Denn nur durch Kundennähe und die Bereitschaft, bestehende Prozesse zu hinterfragen, kann die Wettbewerbsfähigkeit erhalten werden. Oder wie es ein Ligna-Aussteller formulierte: „Wir müssen in Deutschland und Europa einfach wieder besser werden.“

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Mit den Ausgaben 2/25 zur Interzum und 3/25 zur Ligna bietet die HK im Mai ein umfangreiches Messe-Paket. In zwei ausführlichen Specials informieren wir Sie schon vorab darüber, welche Produkt-Neuheiten die Unternehmen in Köln und Hannover präsentieren und was sich in der Zulieferwelt sonst noch tut.

HK 4/25

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