In Generationen statt in Quartalen denken

Die Hesse GmbH ist zum 1. Januar 2024 aus dem Nitrolackmarkt ausgestiegen. Mit dem Schritt hin zu moderneren Lacksystemen hat das Unternehmen ein wichtiges Teilziel seiner Nachhaltigkeitsstrategie erreicht. In einem zweiten Schritt will das Familienunternehmen bis 2030 alle lösemittelhaltigen Lacke und Beizen im Sortiment gegen nachhaltige Alternativen austauschen. Die HK traf sich mit Geschäftsführer Jens Hesse in Hamm, um über den aktuellen Stand dieses Prozesses, geplante Investitionen in den internationalen Märkten und die bevorstehende Branchenmesse Holz-Handwerk in Nürnberg zu sprechen.

Jens Hesse, Geschäftsführer von Hesse Lignal, spricht im Interview ausführlich über die Nachhaltigkeitsstrategie seines Unternehmens (Interview: Julia Gottschick/Fotos: Hesse/Julia Gottschick)

Herr Hesse, Hesse Lignal ist zum 1. Januar 2024 aus dem Nitrolackmarkt ausgestiegen. Wie kam es dazu und warum?

Das hat viel mit unserer Unternehmenskultur zu tun. Zu unseren Unternehmenswerten gehört der Wert Kompetenz, das erwartet man von einem Hersteller von technischen Produkten. Aber auch der Wert Verantwortung ist uns schon immer wichtig gewesen. Wurden Rohstoffe neu geclustert und als gefährlich eingestuft, waren wir in der Vergangenheit die ersten, die das proaktiv ausgetauscht haben. Dieser Wert „verantwortungsvoll“ gewann in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Irgendwann war klar: Wenn wir es wirklich ernst meinen, dann müssen wir ans Sortiment ran. Das ist der größte Impact unseres Unternehmens.

Ein Teilziel ist erreicht: Zum 1. Januar 2024 ist Hesse Lignal aus dem Markt für Nitrolacke ausgestiegen

Wann genau haben Sie diese Entscheidung getroffen?

Ende 2021. Dies war ein wichtiger Tag in der Unternehmensgeschichte. Es war viel Mut notwendig, diesen Schritt zu gehen und zu sagen: Wir machen das jetzt, wir fangen jetzt an. Und das erste Ziel hieß: Ende 2023 wollen wir keine Nitrolacke mehr verkaufen. Das bedeutete aber nicht, dass wir bestimmte Produkte einfach streichen und nicht mehr liefern. Vielmehr war unser Ziel, auf unsere Kunden zuzugehen und auf nachhaltigere Systeme umzustellen. Das hat super funktioniert. Zwar ist das für uns ein relativ kleines Sortiment, das etwa fünf Prozent vom Umsatz ausmacht. Aber es hat ja einen Einfluss auf die Umwelt, den man nicht wegdiskutieren kann. So oder so, der erste Schritt ist getan.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Umstellung?

Die Herausforderung bestand nicht nur darin, den Markt mitzunehmen. Es war auch viel interne Überzeugungsarbeit notwendig. Nicht grundsätzlich hinsichtlich der Nachhaltigkeitsstrategie. Vielmehr waren einige Mitarbeiter besorgt, wenn Sortimente angepasst werden. Das muss alles geplant und ein Stück weit prozessual begleitet werden. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden.

Was folgt jetzt als nächstes auf diesen ersten Schritt?

Für den zweiten Schritt haben wir bis 2030 Zeit, die Umstellung vor allem im Handwerk voranzubringen. Die Industrie ist schon weiter und hat aus anderen Gründen schon vielfach auf nachhaltigere Produkte gewechselt. Aber im Handwerk ist der lösemittelhaltige Polyurethanlack noch der größte Baustein und unser Hauptprodukt. Es wird ein großer Kraftakt auf zum Beispiel Wasserlacke umzustellen. Dennoch ist die Sorge kleiner geworden, weil wir gesehen haben, dass schon heute vielfach das funktioniert, was wir uns in den nächsten Jahren vorgenommen haben. Der Wasserlack ist ja kein schlechteres, sondern nur ein anderes Produkt. Diese Sorge können wir auch den Verarbeitern nehmen, was aktuell die Hauptaufgabe im Vertrieb und in der technischen Beratung ist.

Nun ist also ein wichtiges Teilziel der Nachhaltigkeitsstrategie erreicht. Was bezwecken Sie damit und wie kommunizieren Sie die Strategie?

Wir versuchen das Erreichte ins Verhältnis zu Dingen zu setzen, die den Menschen näherliegen. Unsere Umstellung von Nitrolacken auf nachhaltige Lösungen bedeutet eine CO2-Einsparung von ungefähr 500 Flügen nach Mallorca und zurück. Das versteht jeder. Und das ist nur ein kleines Sortiment. Wenn wir das auch mit PUR-Lack schaffen, dann ist viel erreicht. Wir verstehen uns als Vorreiter und hoffen, dass wir auch unsere Marktbegleiter dafür begeistern können. Das wäre dann ein noch größerer Impact. Als Familienunternehmen denken wir nicht in Quartalen wie Konzerne, sondern in Generationen. Unsere Kinder und Enkel sind besonders vom Klimawandel betroffen.

Das heißt, Kommunikation nach außen spielt hier eine entscheidende Rolle?

Ja, zum großen Ziel der Umstellung gehört es auch, immer mehr Kunden dafür zu begeistern und davon zu berichten. Diese Geschichten kommunizieren wir in Anwender-Videos, die wir meist über LinkedIn und Instagram veröffentlichen. Da kommen in den nächsten Monaten viele neue Beispiele. Wir haben viele Kunden, die gerne mitmachen, weil ihnen das Thema wichtig ist. Jeder hat seine eigene Motivation, etwas Gutes für seine Mitarbeiter und für die Umwelt zu tun. Und dafür bieten sich Wasserlacke hervorragend an.

Welche Neuheiten zeigt Hesse Lignal auf der Holz-Handwerk?

Auf der Holz-Handwerk präsentieren wir die nachhaltigen Produkte „Perfect-Natura“ und „Perfect-Soft-Color“. Der neue „Perfect-Natura“ rundet die „Perfect“-Familie jetzt auch im 2K-Hydro-Bereich mit einem Naturholzeffekt ab. Dieser ist sowohl auf hellen als auch auf dunklen Hölzern einsetzbar. Der „Perfect Soft-Color“ ist ein 2K-Hydro-Farblack mit einer außerordentlich samtigen Oberflächenhaptik. Beide sind natürlich mit dem Standardhärter der „Perfect“-Familie abzuhärten. Die „Perfect“-Familie ist der vollwertige und nachhaltige Ersatz für lösemittelhaltige PUR-Lacksysteme. Daneben werden auch Lösungen zur Lackierung mit Hydro-Lacken auf Trägern wie Glas und Metall vorgestellt. Alle Exponate, die wir in Nürnberg vorstellen, sind mit umweltfreundlichen und nachhaltigen Lack- und Ölsystemen behandelt.

„Fantastic Brillant“ ist ein flexibler Hochglanzlack auf PUR-Basis

Was sagen Sie zu den Absagen einiger großer Maschinenhersteller?

Die Absagen der Maschinenhersteller kann ich gut nachvollziehen, weil im Investitionsgüterbereich mit den steigenden Zinsen gerade keine gute Stimmung vorherrscht. Schade ist es natürlich, weil Messe von Vielfalt lebt. Und wenn wichtige Unternehmen fehlen, ist das nicht gut. Ich glaube, alle Messen haben einen schweren Stand im Moment.

Das vollständige Interview lesen Sie in der HK 2/24

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