KI-Agenten läuten eine neue Ära ein

Generative KI bietet Potenziale, die weit über die heutigen Möglichkeiten hinausreichen. Raphael Gielgen prognostiziert, dass Unternehmen, die sich der Technologie verweigern, in zehn Jahren bedeutungslos sein werden. Was das konkret heißt und welche Weichen Möbelproduzenten und auch -zulieferer stellen sollten, um künftig wettbewerbsfähig zu bleiben, erläutert der Future of Work Trendscout bei Vitra im Interview. Das Thema Künstliche Intelligenz wird ein Schwerpunkt des nächsten HK-Expertengipfels sein, der am 6. und 7. Februar 2025 bei Lignum Consulting in Kupferzell stattfindet.

Raphael Gielgen ist Future of Work Trendscout beim Möbelhersteller Vitra. Foto: Joseph Fox/Interview: Markus Schmalz

Herr Gielgen, Sie schrieben vor kurzem auf LinkedIn: „2024 ist das Jahr, in dem KI am Arbeitsplatz Realität wird.“ Welche KI-Entwicklungen haben das berufliche Umfeld in den letzten Monaten besonders stark beeinflusst?

Aktuelle Entwicklungen in der KI-Technologie führen dazu, dass Werkzeuge nicht nur als Assistenten für alltägliche Aufgaben fungieren, sondern zunehmend in der Lage sind, dynamische Problemlösungen anzubieten. Diese Werkzeuge lernen aus Interaktionen und verbessern kontinuierlich ihre Fähigkeiten, wodurch sie für effiziente Geschäftsprozesse und persönliche Produktivität unverzichtbar werden. Die Integration von fortgeschrittener Sprachverarbeitung und adaptiven Lernalgorithmen ermöglicht es den Assistenten, ein tiefes Verständnis für die Benutzer-Bedürfnisse zu entwickeln und proaktiv zu handeln.

In welchen Bereichen setzen Möbelhersteller und Zulieferer KI bereits erfolgreich ein? Und wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Ich habe da keinen tieferen Einblick und kann Ihnen auch nicht sagen, wie der Stand der Dinge ist. Fakt ist, dass heute alle Soft- und Hardware-Tools zur Verfügung stehen und über die gesamte Wertschöpfungskette eingesetzt werden können. Das geht aber nur, wenn man auch in der Vergangenheit „seinen Garten bestellt hat“, sowohl was die Soft- und Hardware betrifft, aber auch in Sachen Datenqualität.

Nutzen Sie bei Ihrer Arbeit als Future of Work Trendscout selbst KI?

In der sich rasant entwickelnden Welt der Künstlichen Intelligenz zeichnen sich wichtige Entwicklungsschritte ab, die den Übergang von KI-Werkzeugen zu autonom agierenden Agenten markieren. Diese Entwicklung verwandelt die KI von einem zuverlässigen Alltagshelfer in ein komplexes Maschine-zu-Maschine-Ökosystem, das in der Lage ist, selbstständig Dienstleistungen zu erbringen und Verträge abzuschließen. Ich würde sagen, ich bin zu 65 Prozent Beobachter und zu 35 Prozent Nutzer. Der Hebel meiner Arbeit liegt vor allem darin, Signale zu entdecken, Zusammenhänge zu verstehen und daraus Schlüsse zu ziehen. Er liegt weniger in eigenen Anwendungsfällen.

Generative KI kann Unternehmen entscheidende Vorteile bringen, es wird aber auch vor den Gefahren gewarnt. Wie bewerten Sie dieses Thema?

Die vor uns liegende vierte industrielle Revolution bietet große Chancen für Unternehmen (vom Start-up und dem Familienunternehmen bis zum DAX-Konzern), Universitäten, aber auch für die öffentliche Hand. Während in der
Vergangenheit Technologien und ihre Ergebnisse eher langsam Einzug in unser Leben hielten, gibt es heute eine Vielzahl von Indikatoren, die auf eine dynamische und schnelle Entwicklung hindeuten. Die Wahrheit ist, dass sich das Berufsleben vieler von uns in einer klaren und konsistenten globalen Landschaft abspielt. Eine Landschaft, in der wir vielleicht viele implizite Annahmen und Überzeugungen darüber, wie die Welt funktioniert, verankert haben. Auf der Grundlage dieser Annahmen treffen wir unsere Entscheidungen. Die meisten unserer Annahmen werden zunehmend in Frage gestellt. Was wir erleben, ist sicherlich mehr als das Durchlaufen eines weiteren Konjunkturzyklus. So normal es heute für ein Unternehmen ist, in der Cloud zu arbeiten, so normal wird es in weniger als fünf Jahren mit KI sein. Die Chancen überwiegen, und letztlich entscheidet der Einsatz von KI über den Erfolg des Geschäftsmodells.

Angesichts der Kosten und einer gewissen Fehlerquote schrecken viele Möbelhersteller und -zulieferer noch vor dem Einsatz generativer KI zurück. Was würden Sie diesen empfehlen?

In der heutigen dynamischen und von starkem Wettbewerb geprägten Geschäftswelt ist die Etablierung einer Innovationskultur entscheidend. Das bedeutet: Der praktischen Umsetzung von Ambidextrie (Ambidextrie = sowohl die Fähigkeit, vorhandene Kernkompetenzen zu nutzen – „Exploitation“ – als auch neue Möglichkeiten zu erkunden – „Exploration“) kommt für alle Unternehmen eine große Bedeutung zu. Das Gegenteil, das starre Festhalten an „bewährten“ Methoden, ist der sichere Weg in die Bedeutungslosigkeit. Die Implementierung einer Innovationskultur und Ambidextrie erweisen sich daher als Schlüsselfaktoren für das Wachstum und die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen. Die Entwicklung von Innovationskompetenz bei Eigentümern und Managern ist entscheidend für die langfristige Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen.

Was zeichnet Unternehmen mit einer gelebten Innovationskultur aus?

Sie sind geübt darin, auf der einen Seite langfristige Traditionen zu bewahren und gleichzeitig Innovationen voranzutreiben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Fähigkeit ermöglicht es Unternehmen, ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung vorhandener Ressourcen und der Erkundung neuer Möglichkeiten zu finden. Das betrifft auch die Integration der Künstlichen Intelligenz.

Werden Unternehmen, die sich dem Thema KI verweigern, künftig überhaupt überleben können?

Unternehmen, die die Kreislaufwirtschaft nicht vorantreiben und integrieren, werden in zehn Jahren bedeutungslos sein. Und Unternehmen, die KI nicht umfassend in ihre Geschäftsmodellarchitektur integrieren, werden in zehn Jahren ebenfalls bedeutungslos sein.

Blicken wir zum Schluss in die Zukunft: Wie sieht die KI-gestützte Arbeit eines Möbelherstellers im Jahr 2030 aus?

Mit der Zunahme autonomer Agenten wird sich die Landschaft der digitalen Wirtschaft grundlegend verändern. Diese Agenten werden nicht nur autonom handeln, sondern auch in der Lage sein, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, was zu einer neuen Form des digitalen Marktplatzes führen wird. Auf diesem Marktplatz werden KI-Agenten autonom mit Dienstleistungen und Produkten handeln und damit eine neue Ära der Autonomie in der digitalen Wirtschaft einläuten. Sicherheit und Datenschutz werden dabei zentrale Herausforderungen sein, die innovative Lösungen erfordern, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen und zu erhalten.

Künftig werden also KI-Agenten ein integraler Bestandteil eines jedes Geschäfts sein?

Ja, sie werden nicht nur Aufgaben ausführen, sondern auch bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsstrategien eine Rolle spielen. Die Zusammenarbeit zwischen menschlichen Mitarbeitern und KI-Mitarbeitern wird durch fortschrittliche Schnittstellen optimiert, die eine nahtlose Interaktion ermöglichen. Dies fördert eine neue Arbeitskultur, in der Kreativität und strategisches Denken im Vordergrund stehen, während repetitive und analytische Aufgaben von KI-Systemen übernommen werden.

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