KI ist kein „Nice-to-have“ mehr

Mit weltweit über 2.000 Mitarbeitern zählt Cyncly zu den führenden Anbietern in seinem Segment. Seit der Fusion von 2020 und Compusoft sowie dem Zusammenschluss verschiedener Marken bedient das Software-Unternehmen die gesamte Prozesskette der Möbelproduktion. Zu den Angeboten zählen Lösungen wie „3CAD“, „Insight“ oder „Mozaik“. Die HK sprach auf der Ligna exklusiv mit CEO Anand Krishnan über aktuelle Trends und Entwicklungen. Es ist das erste Interview des Cyncly-Chefs in einem deutschen Magazin.

Anand Krishnan ist CEO von Cyncly. Zuvor bekleidete er Führungspositionen bei Microsoft, IBS Software und Canonical (Interview: Markus Schmalz)

Herr Krishnan, was macht den europäischen Markt für Sie so interessant? Und wie schätzen Sie die Bereitschaft der Möbelhersteller ein, in digitale Technologien zu investieren?

Europa war schon immer ein Vorreiter für Innovation in der Möbelherstellung. Aktuell erleben wir einen Wendepunkt, an dem traditionelle Handwerkskunst mit digitaler Transformation verschmilzt. Denn Kunden kaufen heute nicht einfach nur eine Küche oder einen Schrank – sie gestalten komplette Wohnräume. Gleichzeitig stehen europäische Hersteller vor einer Herausforderung, die weltweit zu sehen ist: Wie lässt sich die hohe Qualität und Individualisierung, die der Konsument erwartet, mit der Geschwindigkeit und Effizienz vereinbaren, die moderne Märkte voraussetzen? Wir beobachten, dass sich Hersteller zunehmend in diese übergeordnete Diskussion einbringen müssen. Dabei kommt uns zugute, dass der europäische Markt sehr genau versteht: Digitale Transformation ist nicht da, um qualifizierte Fachkräfte zu ersetzen, sondern um deren Möglichkeiten zu erweitern. Die führenden Möbelhersteller und holzverarbeitenden Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, setzen unsere Software gezielt ein, um Produktionsprozesse mit modernster Maschinentechnologie zu verbinden.

Der Fachkräftemangel ist ein kritisches Problem für die Möbelindustrie. Wie können digitale Tools dabei helfen, diese Herausforderung zu bewältigen?

Ich höre immer wieder von unseren Kunden, wie sehr sie der Fachkräftemangel beschäftigt. Ich bin überzeugt, dass Technologie hier eine entscheidende Rolle spielen kann: Sie erweitert die Fähigkeiten der Mitarbeiter, macht Prozesse intuitiver und gestaltet den Arbeitsplatz attraktiver – insbesondere für die nächste Generation von Fachkräften. Ein gutes Beispiel ist unsere Design-to-Make-Software „Mozaik“. Diese leistungsstarke Lösung für die CNC-Holzbearbeitung macht erfahrene Tischler noch produktiver. Sie können mehr fertigen, in Echtzeit auf Daten reagieren und sich auf die kreativen und handwerklichen Aufgaben konzentrieren, die sie ursprünglich in diesen Beruf gebracht haben. Ein weiteres Beispiel ist unsere ERP-Lösung „Insight“ für die industrielle Fertigung.

Bei „Insight“ gab es zur Ligna eine spannende Weiterentwicklung.

Ja, die Visual-Shopfloor-Funktionen bieten jetzt interaktive Dashboards und rollenspezifische Einblicke. Sie fungieren als digitaler Zwilling der Produktion. So können Betriebsverantwortliche komplexere Projekte umsetzen, da das System die Datenanalyse übernimmt, Engpässe erkennt und Probleme visuell aufbereitet. Zudem sehen wir, dass Hersteller unsere integrierte Plattform gezielt nutzen, um moderne und ansprechende Arbeitsumgebungen zu schaffen. Die Fachkräfte von heute wollen mit zeitgemäßen Tools arbeiten, die Wirkung ihrer Arbeit unmittelbar erkennen und Teil eines Unternehmens sein, das sichtbar vorankommt. Wer zeigen kann, wie der eigene Beitrag direkt zur Kundenzufriedenheit führt, schafft nicht nur Motivation, sondern macht den Job auch für jüngere Generationen zu einer echten beruflichen Perspektive.

Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten großen Herausforderungen in der Möbelproduktion?

Künstliche Intelligenz verändert grundlegend, wie wir über Möbelfertigung denken. Und das nicht nur im Hinblick auf die Produktion, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der ersten Kundeninspiration bis zur finalen Auslieferung. Das Bemerkenswerte ist, dass unsere Branche bereits über genau die Bausteine verfügt, die Künstliche Intelligenz braucht, um echten Mehrwert zu schaffen: umfangreiche Produktkataloge, jahrzehntelange Design- und Entwicklungserfahrung, fundiertes Wissen in der Raumplanung und ein tiefes Verständnis für das Verhalten und die Erwartungen der Kunden. Einer der auffälligsten Trends auf der Ligna war, dass KI kein „Nice-to-have“ mehr ist. Sie wird zunehmend zur Voraussetzung, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Was bedeutet diese Entwicklung im KI-Bereich für die Anwender?

Wir sehen, wie Hersteller KI gezielt einsetzen, um die Nachfrage durch inspirierende Kundenerlebnisse zu steigern. Sie verkürzen die Zeit vom Entwurf bis zum Angebot mithilfe intelligenter Automatisierung. Und sie treffen schneller und besser informierte Entscheidungen ohne zusätzliches Personal. Stellen Sie sich vor, die Katalogdatenerstellung ist nicht mehr der Engpass bei der Markteinführung neuer Produkte. Oder die Kunden nutzen eine Software, die deren persönlichen Geschmack in realisierbare, produzierbare Attribute übersetzt. Produkte, die sie direkt bestellen können. Ich empfehle jedem Unternehmen, in diesem Jahr genau zu prüfen, wo KI sinnvoll in die eigene Strategie integriert werden kann. Denn die Unternehmen, die frühzeitig handeln, werden diejenigen sein, die die Zukunft unserer Branche mitgestalten.

Was sollten Möbelhersteller Ihrer Meinung nach bei der Planung ihrer Technologie-Strategie für die kommenden Jahre berücksichtigen?

Der wirkungsvollste Ansatz ist aus meiner Sicht, mit der Perspektive des Kunden zu beginnen. Und von dort aus rückwärts zu denken. Was wäre, wenn jeder Schritt – vom ersten Kontakt bis zur Auslieferung – nahtlos ineinandergreifen würde? Genau diese Vision sollte das Fundament der Technologie-Strategie bilden. Statt auf Einzellösungen zu setzen, sollte man den Mehrwert integrierter Systeme und vernetzter Ökosysteme in den Blick nehmen, um ihre Daten wirklich effektiv zu nutzen. Wenn Sie die Silos zwischen Vertrieb, Design, Fertigung und Auslieferung auflösen, entsteht eine zentrale, vertrauenswürdige Datenquelle, auf deren Basis die Unternehmen fundiert handeln können.

Das vollständige Interview erscheint in der HK 4/25

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