Wachstum durch kluge Investitionen

Egger kann auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2022/23 zurückblicken. Die Aussichten für die nächsten Monate sind durch die schwächelnde Wirtschaft allerdings gedämpft. Trotzdem investiert das Unternehmen kräftig in die Zukunft. So wurden zum Beispiel die Mehrheitsanteile am italienischen Holzwerkstoffhersteller Saib übernommen und der Kauf des Rauch-Spanplattenwerks angekündigt. Welche Strategie dahintersteckt, erläutert Michael Egger jun., Gruppenleitung Vertrieb und Marketing.

Michael Egger jun. ist Mitglied der Gruppenleitung und verantwortet in dieser den Bereich Vertrieb und Marketing. Foto: Egger

Herr Egger, das Unternehmen Egger hat das Geschäftsjahr 2022/23 mit einem Umsatzplus von 5,1 Prozent abgeschlossen. Sind Sie mit dem Gesamtergebnis zufrieden?

Wir blicken auf ein äußerst bewegtes Geschäftsjahr zurück. Das Umfeld war gekennzeichnet von stark steigenden Zinsen, hoher Inflation, rückläufiger Baukonjunktur und sehr volatilen Rohstoff- und Energiemärkten, bedingt durch geopolitische Unsicherheiten. Vor diesem Hintergrund sind wir froh, dass wir ein erfolgreiches Geschäftsjahr abschließen konnten. Die letzten Jahre sind für unsere Branche als außergewöhnlich einzustufen. Die Nachfrage nach unseren Produkten war während der Pandemie aufgrund des Cocooning-Effekts, einhergehend mit historisch niedrigen Zinsen, extrem hoch. Wir sehen nun eine Rückkehr unserer wesentlichen Finanzkennzahlen auf ein stabiles und langfristig nachhaltiges Niveau.

Welche Erwartungen haben Sie an das Geschäftsjahr 2023/24?

Eine Vorausschau für die nächsten Monate ist überaus schwierig. Der gesamtwirtschaftliche Ausblick ist getrübt durch die anhaltende Krise in der Ukraine sowie weiterhin herausfordernde Energie- und Rohstoffmärkte. Zudem erwarten wir in wesentlichen Absatzregionen eine anhaltend hohe Inflation, hinzu kommen die Herausforderungen des Klimawandels. In Anbetracht dieser Gemengelage sind auch unsere Umsatz- und Ergebniserwartungen gedämpft. Wir sind dennoch überzeugt, dass wir mit unserer Ausrichtung des langfristigen Wachstums aus eigener Kraft die richtigen Weichen gestellt haben und verfolgen diese Strategie weiterhin.

Wie schätzen Sie die Situation auf den internationalen Märkten ein?

Im Vergleich zu den vergangenen Jahren, die gekennzeichnet waren von einer außergewöhnlichen Nachfrage in unserer Branche, sehen wir in allen Märkten Nachfragerückgänge, mit leicht unterschiedlichen Tendenzen. In West- und Osteuropa speziell vernehmen wir einen Rückgang der Neubautätigkeit. Chancen aber ergeben sich aus den jüngsten Wachstumsinvestitionen unserer Gruppe. Zum einen können wir mit unserem 21. Werk in Caorso (Italien) unsere Marktposition in Italien erheblich verbessern. Zum anderen leistet unser neues Werk in Lexington, NC (USA) mit steigender Auslastung in einem sich konsolidierenden Markt einen Beitrag zu weiterem Wachstum. Hinzu kommen Erweiterungsinvestitionen in unserem Schichtstoffplattenwerk in Gifhorn, der Fronten- und Teilefertigung in Bünde sowie Investitionen in Kurztaktpressen an mehreren Standorten. Wir sehen durchaus Potenziale, um unsere Position im aktuellen Marktumfeld auszubauen.

Wie laufen die Geschäfte in den einzelnen Segmenten wie Bau oder Möbel?

Generell ist die Marktlage eine völlig andere als in den vergangenen Boom-Jahren. Auswirkungen auf die Nachfrage ergeben sich insbesondere durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten und den Rückgang der Baugenehmigungen. Wir sehen in den Produktbereichen leicht unterschiedliche Entwicklungen. Das Marktumfeld für Bauprodukte ist aufgrund der rückläufigen Neubauwirtschaft besonders herausfordernd. Der Bereich Möbel- und Innenausbau verzeichnet durch die andauernde Renovierungstätigkeit insgesamt eine stabilere Entwicklung.

Sie hatten bereits die Investitionen in Bünde angesprochen. Was erwarten Sie vom Bereich Möbelfertigteile in den kommenden Jahren?

Egger zählt im Bereich Möbelfertigteile zu den größten Lieferanten am europäischen Markt. Diese Position möchten wir mit der weiteren Investition am Standort Bünde in zusätzliche Kapazitäten und Prozessautomatisierung stärken. Wir sehen hier durchaus weiteres Potenzial für die Zukunft. Unsere Kunden wissen es zu schätzen, dass das jeweilige Trägermaterial sowie die Kante und die Veredelung zum Möbelfertigteil von einem Hersteller kommen. Und dies alles in einer verlässlichen Qualität.

Was unternimmt Egger in Sachen nachhaltige Energieversorgung?

Um die Abkoppelung von fossilen Brennstoffen voranzutreiben, forcieren wir in unseren Werken integrierte Energiekonzepte. Wir betreiben Anlagen zum Erzeugen von erneuerbarer Energie aus Biomasse und Holzstaub. Stofflich nicht mehr verwertbare Holzreste werden im Sinne des Kreislaufgedankens genutzt. Im Rahmen des Energiemanagements werden zudem fortlaufend Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz getroffen. Dies ergibt heute bereits einen Anteil von 70 Prozent erneuerbarer Energie, bezogen auf die in unseren Werken eingesetzten Energiemengen. Durch gezielte Investitionen werden wir diesen Anteil noch weiter steigern.

Egger will auch den Recyclingholz-Anteil kontinuierlich erhöhen. Welche Ziele haben Sie sich hier gesetzt?

Das Arbeiten in geschlossenen Kreisläufen ist ein Kernelement unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Kreislaufwirtschaft dient maßgeblich der Schonung frischer Ressourcen. Wir sind Sekundär-Verarbeiter von Sägeresthölzern sowie von Pre- und Post-Consumer-Recycling-Holz. Investitionen in diesem Bereich, wie jüngst mit der Übernahme der Recycling-Sammelstandorte Overath (Deutschland) und Charlotte, NC (USA), verfolgen wir seit Jahren. Die Zielsetzung dabei wird immer bleiben, bei gleichbleibender Qualität unsere Nachhaltigkeitsleistung weiter zu erhöhen.

Die Übernahme des deutschen Recyclers M+P Umweltdienste zielt ebenfalls in diese Richtung. Welche Kompetenzen bringt das Unternehmen in die Egger-Gruppe ein?

Mit der Übernahme des Unternehmens verfolgen wir unsere strategischen Ziele, den Anteil von eingesetztem Holz aus Nebenprodukten und Recycling weiter zu erhöhen und unsere Rohstoffversorgung mit Rückwärtsintegration abzusichern. Durch den Ausbau der gruppenweiten Sammelinfrastruktur können wir unsere Werke noch besser mit Recyclingholz versorgen. Aus dem Altholz entstehen wieder hochwertige Holzwerkstoffe.

Seit der Übernahme der Mehrheitsanteile von Saib verfügt Egger über ein Werk in Italien. Welche Vorteile bietet dieser strategische Markt-Zugang?

Für Egger ist weiteres Wachstum am Heimatmarkt Europa Teil der strategischen Agenda. Italien ist eines der führenden möbelproduzierenden Länder in Europa. Der Gedanke, dort einen Produktionsstandort aufzubauen, begleitet uns schon seit geraumer Zeit. Mit Saib haben wir den idealen Partner für uns gefunden. Saib ist führend in der Kreislaufwirtschaft und verwendet bereits seit fast 30 Jahren ausschließlich Recyclingholz in der Produktion. Die italienische Möbelindustrie ist dabei die Kernzielgruppe von Saib. Darauf abgestimmt wurde die Dekor- und Strukturentwicklung aufgebaut, die sich durch einen besonders hohen Designanspruch auszeichnet. Mit der Mehrheitsbeteiligung an Saib verbreitern wir dank der industriellen Kundenbasis des Unternehmens unseren Marktzugang in Italien.

Seit ein paar Jahren ist Egger auch am italienischen Hersteller Cleaf beteiligt. Inwiefern ergänzen sich Cleaf und Saib als Partner von Egger?

Der wesentliche Unterschied sind die Beteiligungsverhältnisse. Bei Cleaf sind wir Minderheitsgesellschafter, bei Saib Mehrheitsgesellschafter. Dies beschreibt auch die Rolle von Egger in der jeweiligen Zusammenarbeit. Als Mehrheitsgesellschafter streben wir bei Saib mittelfristig die Integration an. Cleaf hingegen bleibt eigenständig. Saib wird seinen Schwerpunkt auf dem italienischen Markt behalten, um dort die Marktposition von Egger als Gruppe auszubauen. Das Unternehmen Cleaf hingegen ist international aktiv. Überschneidungen in Märkten werden über Vertriebskooperationen koordiniert.

Demnächst gehört auch das Rauch-Spanplattenwerk zu Egger. Was waren die Gründe für den Kauf?

Mit dem Kauf des Rauch-Spanplattenwerks in Markt Bibart, nahe Würzburg, können wir unsere Strategie des Wachstums aus eigener Kraft erfolgreich fortführen. Vorbehaltlich der Erteilung der kartellrechtlichen Genehmigung wird es der 22. Produktionsstandort der Egger-Gruppe. Wir sehen großes Wachstumspotenzial für den Standort dank der langjährigen Expertise der Belegschaft und der Synergieeffekte aus unserer Gruppenpräsenz.

Das Rauch-Spanplattenwerk in Markt Bibart bietet für Egger eine Menge Potenzial

Mit welchen Erwartungen reisen Sie zur Sicam und was wird Egger dort präsentieren?

Nach dem Ende der Pandemie wird auch diese Messe sicherlich ein voller Erfolg. Kunden aus der ganzen Welt werden in Pordenone Neuheiten sehen wollen. Wir werden auf der Sicam 2023 erstmalig gemeinsam mit Saib auftreten. Zehn Monate nach der Übernahme der Mehrheitsanteile am italienischen Produzenten ist dies der nächste logische Schritt, um zusammenzuwachsen. Wir werden auf der Sicam dennoch zwei verschiedene Produktportfolios zeigen.

Und wie ist die Interzum aus Egger-Sicht gelaufen?

Wir können sagen, dass unser Messeauftritt auf der Interzum für uns ein Erfolg war. Die Besucher zeigten sich von unseren Produkt-, Dekor- und Oberflächenneuheiten begeistert und wir konnten die Neuheiten bereits gut im Markt platzieren.

Das Interview lesen Sie auch in der HK 5/23

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