Nabelschnur zur digitalen Fertigung

Dass mit Software von Imos Möbel geplant und produziert werden können, ist bekannt. Erstmals entstehen damit nun Holzhäuser, sogenannte „Smart Castles“. Möglich macht dies der Innovationsdrang von Eckhard Kukatsch, Geschäftsführer der Möbelwerkstatt Breckerfeld. Die HK besuchte das Unternehmen und bekam dabei spannende Einblicke in das Projekt. Der Bericht darüber erscheint in der HK 4/25. Auszüge daraus können Sie hier schon online lesen.

Eckhard Kukatsch (l.), Architektin Jaqueline Goldschmidt und Michael Jochheim von Imos (r.) erläutern die Produktion. Foto/Bericht: Julia Gottschick

Die Möbelwerkstatt Breckerfeld erstellt im Rahmen ihres Projekts „Smart Castle“ nachhaltige Holzhäuser in kleinteiliger Fertigbauweise. Derzeit läuft die Produktion für ein vierstöckiges Musterhaus. Der digitale Fertigungsprozess wird mit der Software von Imos umgesetzt. Darüber hinaus ist ein „Smart Village“ mit mehreren Bungalows geplant. Angedacht ist zudem ein Franchise-System, mit dem weitere Tischlerei-Betriebe „Smart Castles“ für ihre Kunden konstruieren.

Geschäftsführer Eckhard Kukatsch ist „Imos-Kunde der ersten Stunde“, wie er selbst sagt. 1996 hat er seine erste Software dort gekauft und 2006 begonnen, seinen Betrieb komplett zu digitalisieren. „Seither fertigen wir papierlos.“ Vom kleinsten Dübel bis zu selbst entwickelten Beschlägen und Verbindern: Alles hat er exakt dokumentiert, inklusive genauer Maße und Gewicht der Teile. „Wir nehmen die Elemente nicht aus einer Bibliothek, sondern legen alles selbst an“, beschreibt der 62-Jährige. Mit Imos sei dem keine Grenze gesetzt – vorausgesetzt, man ist in der Lage, handwerkliches Denken digital zu definieren. „Man muss sich in die Software reindenken, Imos in voller Tiefe verstehen.“

Dem stimmt Imos-Vertriebsingenieur Michael Jochheim zu: Das Entscheidende ist das, was sich Kukatsch seit 2006 aufgebaut und weiter optimiert hat. Zwar bietet Imos fertige Datenpakete für Möbeltischler an, damit der Einstieg schneller gelingt. Zudem gibt es Grundmodule fürs Zeichnen und Konstruieren, für Ausgaben, Maschinen und die Schnittstellen zu anderen Systemen. „Doch die eigenen Daten mit ihrer individuellen Logik muss sich jeder Kunde selbst aufbauen,“ so Jochheim. Gerade bei einem Produkt wie „Smart Castle“ existiert kein Datenpool zum Download. Der muss entwickelt werden Und das hat Eckhard Kukatsch getan.

So ist im Laufe der Jahre eine strukturierte Datenbank entstanden, mit der Küchenmöbel, Kleider- und Einbauschränke variabel geplant, konstruiert und produziert werden. Sogar Spezialelemente wie Schiebe- und Trennwandsysteme gibt es in der Bibliothek. Als das Projekt „Smart Castle“ begann, wurden zudem alle Bauelemente der Gebäude als intelligente Einzelmodule abgebildet. „Die Möbelwerkstatt ist damit der erste Kunde, der mit uns Häuser erstellt“, sagt Jochheim. Das Werkzeug Imos als solches macht´s möglich. Schließlich ist es egal, ob man einen Kleiderschrank oder ein Modul für Häuser damit baut.

Anfang 2021 ging mit Hilfe von Imos das Projekt „Smart Caste 1.0“ an den Start, in dessen Zuge 2023 acht barrierefreie monolithische Holzhäuser mit 50 Quadratmetern Wohnfläche und 35 Quadratmeter Veranda gebaut wurden. Die Häuser durften nur mit minimal-invasiven Eingriffen in die Natur, ohne Kräne oder schwere Lkw errichtet werden. Aus diesem Grund schied die traditionelle Holzrahmen-Bauweise mit ihren hohen Wänden aus, die mit schwerem Gerät transportiert werden. „Wir mussten das Thema Wände neu denken. Sie sollten kleinteiliger, leicht zu transportieren und schnell verschraubbar sein“, erinnert sich Kukatsch. Auch sollten die Installations- und Lüftungsebenen im Werk vormontiert sein, um die Bauzeit zu verkürzen. „Genau dafür hat sich Imos angeboten.“

Weil man mit der Software komplexes Know-how parametisch abrufbar machen kann, ist die Lösung der Möbelwerkstatt „ein Mittelding zwischen moderner Fertigung und Speicherung traditionellen Fachwissens,“ sagt Kukatsch. Ob Holzwerk- oder Kunststoffe, PVC oder Metall wie Aluminium: Die Vielfalt an Materialien, die verarbeitet und abgebildet werden, ist in seinen Augen längst nicht mehr analog kommunizierbar. Schon deshalb ist Imos „wie eine Nabelschnur, wie die rechte und linke Herzkammer unseres Betriebs“.

Seit 2017 ist die Möbelwerkstatt Breckerfeld im Küchen- und Möbelbau für öffentliche und soziale Einrichtungen tätig. Angegliedert ist seit 2021 die „Macontic – Manufactur con Robotic“, eine Vier-Mann-Firma, die Kukatsch gehört und Automations- und Anwendersoftware für optische Vermessung, Prozessverknüpfung und individuelle Robotik-Anwendungen bereitstellt. Größter Kunde ist zu 90 Prozent die Tischlerei selbst. Die 1988 gegründete Firma Kukatsch Systeme ist noch älter. Bislang mit Innenausstattung und Handlaufsystemen für Werften und Hotels befasst, beschäftigt sie sich seit 2021 mit dem Thema serielles Bauen in Holz. So ist eine kleinteilige Systembauweise entstanden, die sich durch hohe Flexibilität an die jeweiligen Bedürfnisse des Bauvorhabens anpasst.

Mit den „Smart Castles“ baut Eckhard Kukatsch Häuser, die „der Otto-Normal-Verbraucher noch bezahlen und im Zweifel selbst aufbauen kann“. Eigenen Angaben zufolge liegt er mit ihnen „all-in“ bei 3.500 Euro pro Quadratmeter. Im April 2025 ging das Projekt mit Baubeginn eines vierstöckiges Musterhauses weiter, das neben der Möbelwerkstatt entsteht. Nutzfläche: etwa 450 Quadratmeter. Ziel ist, mit dem Bau gewonnene Erkenntnisse der Gebäudeklasse 4 zu validieren. „Da es viergeschossig ist, hat es einen hohen Anspruch an Statik, Brand- und Schallschutz“, sagt Kukatsch, der selbst in die vierte Etage einziehen wird. Die unteren Geschosse beherbergen Büros und Ausstellungsräume. Kostenpunkt: etwa 1,2 Millionen Euro.

Mit 80 bis 100 Sensoren werden physikalische Parameter wie Schallfrequenzen, Temperatur und Feuchtigkeit abgefragt. „Mein Anspruch ist es zu ermitteln: Was passiert bei dieser Art, Häuser zu bauen?“, verrät Kukatsch. „Wenn im dritten Geschoss eine Party stattfindet, will ich wissen, wieviel Schall, Druck und Verwerfungen entstehen.“ Die Wechselwirkung zwischen Konstruktion, Statik, Witterungsschutz, Wärme-Dämmung und Fassadenbau ist so komplex, dass es eine Menge Daten zu sammeln gilt. Um diese über die Sensor-Technik auszuwerten, wurde mit Macontic eine Software entwickelt. Die Erkenntnisse sollen später auf eigenen Holzbautagen Interessierten wie Architekten zugänglich gemacht werden.

Ob Entwicklung, Konstruktion, Produktion oder Logistik: Alle Prozesse sind durchdigitalisiert und erinnern an die Gebäudedatenmodellierung BIM (Building Information Modeling). BIM ist ein Computermodell, das alle physischen, technischen und funktionalen Merkmale eines Gebäudes enthält und als Datenplattform für alle Beteiligten dient. „So ist es auch bei uns: Jede Schraube, die verarbeitet wird, wird gewogen und bekommt einen Vornamen“, gibt Eckhard Kukatsch scherzhaft ein Beispiel. „Das heißt, wir wissen genau, wieviele Kilo Schrauben bei uns verarbeitet wurden. Das ist mit Imos möglich.“

Geplant und gezeichnet werden die Häuser mit der 3D-CAD- und Datenmodellierungssoftware „iX CAD“, die Einzelmodule verschiedenster Art parametrisch abbildet. So auch die Elemente für die Boden-, Wand- und Deckenplanung der „Smart Castle“-Häuser, inklusive Fenster und Türelemente. Alle Module sind variabel angelegt, sodass Planer mit Hilfe des Systems alle Artikel-Konfigurationen per Mausklick anpassen können. „Will ein Kunde in der zweiten Etage statt 2,50 Meter eine Raumhöhe von 2,75 Meter haben, klicken wir die Etage einmal an und erhöhen sie“, verdeutlicht der Häusle-Bauer. „Dadurch werden alle Module automatisch auseinander gezogen, sogar die Schrauben-Abstände samt Bohrungen angepasst.“ So lassen sich mit „iX CAD“ ganze Raumsituationen in kürzester Zeit verändern und neu präsentieren.

Von der Planung über die Konstruktion bis hin zu Zeichnungsausgabe und Produktion sind alle Schritte abgedeckt. Und: Das integrierte Datenmodell bietet bei Änderungen und Aktualisierung der Daten größtmögliche Sicherheit, wie Imos-Experte Michael Jochheim betont. Generiert werden die Teile im „Artikel Designer“: Alle 2D-Geometriedaten können mittels einfachster Funktionen wie Polylinien erstellt werden. Abschließend generiert „iX CAD“ das Element aus den verschiedenen 2D-Ansichten mit allen Details in 3D.

Der vollständige Bericht erscheint in der HK 4/25

Weitere Premium-Artikel

Aktuelle Ausgaben:

HK 2/25 + HK 3/25

Mit den Ausgaben 2/25 zur Interzum und 3/25 zur Ligna bietet die HK im Mai ein umfangreiches Messe-Paket. In zwei ausführlichen Specials informieren wir Sie schon vorab darüber, welche Produkt-Neuheiten die Unternehmen in Köln und Hannover präsentieren und was sich in der Zulieferwelt sonst noch tut.

HK 4/25

Produktivität auf begrenztem Raum

Mit kreativen Ideen und innovativer Technologie hat die IMA Schelling Group die Badmöbelfertigung der Firma Intarbad in Wächtersbach auf Vordermann gebracht. Schlanke, effiziente Prozesse sorgen auf kleiner Fläche für ein Maximum an Produktivität. Besonderes Highlight:…

Weiterlesen ›
HK 4/25

Nabelschnur zur digitalen Fertigung

Dass mit Software von Imos Möbel geplant und produziert werden können, ist bekannt. Erstmals entstehen damit nun Holzhäuser, sogenannte „Smart Castles“. Möglich macht dies der Innovationsdrang von Eckhard Kukatsch, Geschäftsführer der Möbelwerkstatt Breckerfeld. Die HK…

Weiterlesen ›
HK 4/25

Perfekter Schnitt für Global Player

Das Sägeblatt „Q-Cut G6“ von Leuco kommt häufig beim Aufteilen von beschichteten Platten zum Einsatz. Wegen seiner Qualität und Zuverlässigkeit beim Fertigschnitt gilt es als bevorzugtes Werkzeug von Möbelherstellern und Innenausbau-Spezialisten. Zu den Anwendern gehört…

Weiterlesen ›