Doppel-Expertise aus einer Hand

Der Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen Koch und der Anlagenbauer Rotte planen, ihr Angebotsspektrum in Sachen Automatisierung zu bündeln, um Bearbeitungszellen aus einer Hand anzubieten. Woher die Idee kam, welche Märkte bedient werden und wie sich die Geschäfte derzeit entwickeln – darüber sprach die HK mit Kerstin Koch-Ugolini, der geschäftsführenden Gesellschafterin der Koch Group, und dem geschäftsführenden Gesellschafter Benedikt Rotte an dessen Firmensitz in Salzkotten.

Kerstin Koch-Ugolini und Benedikt Rotte zeigen das Sockelgestell mit dem Roboter, der für das gemeinsame Entwicklungsprojekt gedacht ist (Interview/Fotos: Julia Gottschick).

Frau Koch-Ugolini, Herr Rotte, wie entstand die Idee zur Kooperation?

Koch-Ugolini: Wir sind Hersteller von Bohr- und Dübel-Eintreibmaschinen, machen alles, was Verbindungstechnik anbelangt. Unsere Maschinen sind mit der Hand zu beschicken oder Teil von Produktionslinien. Hier erhält der Automatisierungsgrad einen immer größeren Stellenwert: Die automatische Beschickung wird wichtiger – sowohl für Linien als auch für Einzelmaschinen. Alle Unternehmen klagen zum einen über Fachkräftemangel, zum anderen sind die Losgrößen weiter rückläufig. Dies fordert mehr Flexbilität. Da unser Schwerpunkt nicht im Bereich der Robotik und Automatisierung liegt, waren wir seit Längerem auf der Suche nach einem Partner, der das leisten kann. Durch Projekte mit Rotte in der Vergangenheit, die uns als Unternehmen näherbrachten, haben wir gemerkt, dass wir gut zusammenpassen. Damit Kunden künftig die Leistungen aus einer Hand erhalten, haben wir uns gemeinsam für eine Kooperationsvereinbarung entschieden.

Wie lange arbeiten die beiden Unternehmen schon zusammen?

Rotte: Die Zusammenarbeit läuft seit rund zwei Jahren, umfasste verschiedenste Kunden-Projekte und -Anfragen, wurde immer komplexer und intensiver. Daraus ist dann die Idee zur Kooperation erwachsen. Im Grunde arbeiten wir, wie in den letzten Monaten, weiter miteinander, stellen uns aber noch konkreter aufeinander ein. Zudem haben wir dadurch die Wünsche des Marktes besser verstanden – und können spezielle Fragestellungen nun gemeinsam beantworten.  

Koch-Ugolini: So sind wir in der Lage, den Kunden die ideale Lösung zu bieten. Weil diese ja in den meisten Fällen kundenspezifisch erarbeitet werden muss.  

Die Vereinbarung ist also nicht auf einen Finalpunkt hin ausgerichtet?

Koch-Ugolini: Nein, sie ist in die Zukunft gerichtet. Denn es ist klar, dass der Automatisierungsgrad in den Fertigungen immer weiter steigen wird. Natürlich werden Maschinen-Investitionen als Ersatz- oder Erweiterungsinvestitionen getätigt, aber gleichzeitig ist festzustellen, dass ein großer Investitionsanteil bei unseren Kunden deutlich in Richtung Automatisierung geht.  

Welches Ziel verfolgen Sie auf lange Sicht zusammen mit Ihrem Partner?

Koch-Ugolini: Wir haben die Absicht, die Komplettlösung anbieten zu können, die verlangt wird. In den vergangenen Jahren haben wir oft gesagt: „Kunde, wir liefern dir die Maschine, und du kümmerst dich um die Automatisierung.“ Aber die Kunden wünschen sich zunehmend, dass alles aus einer Hand kommt. Heute wird komplett geplant.  

Rotte: Die Kunden haben eine Komplettlösung grundsätzlich oft gewünscht oder erweitert angefragt. Und man kann es sich immer weniger leisten, da nichts anbieten zu können. Nun haben wir eine Antwort auf die Frage: Wie kommen die Rohteile in diese Linie, und wie kommen sie wieder raus?  

Wie investitionsfreudig sind Kunden derzeit in diesem Bereich?

Koch-Ugolini: Das hängt vom Produkt ab. Wenn der Betrieb sehr automatisiert ist, wird das mit einkalkuliert und eingeplant. Insgesamt ist die Investitionsfreude derzeit regional unterschiedlich. In der DACH-Region werden Projekte nur zögerlich vorangetrieben. Aber das Gute ist: Es gibt die Projekte. Im europäischen Ausland dagegen wird mehr investiert als in Deutschland. Man kann sagen, dass die Maschinenhersteller generell von einem hohen Niveau während der Corona-Zeit kommen, der Puffer aber schmilzt. Bei den Möbelherstellern ist die Auftragslage entsprechend schneller abgeschmolzen.  

Rotte bietet Anlagenbau und Fördertechnik für etliche Branchen, etwa den Logistik- und Verpackungsbereich sowie die Automobilbranche. Herr Rotte, welchen Stellenwert hat die Möbel- und Küchenindustrie für Sie?

Rotte: Dadurch, dass wir uns branchenübergreifend aufstellen, unterliegen wir weniger den konjunkturellen Schwankungen der einzelnen Segmente. Außerdem ist der ganze Bereich Automatisierungstechnik über Branchen hinweg notwendig und wird nachgefragt. Die Küchenmöbelindustrie war in den letzten Jahren ein sehr dominanter und beständiger Begleiter bei uns im Unternehmen. Auch aktuell stellt sie einen nicht irrelevanten Part in unserem Umsatzvolumen und gerade im abzuarbeitenden Portfolio dar. Wir haben trotzdem geschaut, dass wir Kunden aus anderen Branchen nicht vernachlässigen.  

Gab es auch abseits der genannten Punkte Gründe, die für eine Kooperation der beiden Unternehmen sprachen?

Koch-Ugolini: Abgesehen davon, dass man ergänzende Produkte anbietet, passen die beiden Unternehmen gut zusammen – zum einen die fachliche Expertise, zum anderen aber auch die persönliche Komponente. Wir sind auf einer Wellenlänge.

Rotte: Ein Faktor ist, dass Koch und Rotte mittelständische Unternehmen sind und nun Fragestellungen gemeinsam, sich gegenseitig unterstützend beantworten. Wir können dem Kunden jetzt erstmals sagen: Hier endet unsere Leistung nicht, denn wir haben um einen Partner erweitert. Auch bei Digitalisierungsstrategien, Ersatzteilverfügbarkeit und Servicefragen bringen wir unser Know-how zusammen und entwickeln uns gemeinsam.  

Koch-Ugolini: Gerade, was Digitalisierung angeht, wird es künftig Entwicklungen geben, die heute noch gar nicht absehbar sind. Darin liegt eine große Chance. Wenn jeder kleine Mittelständler für sich seinen Weg geht, erreicht er lange nicht so viel wie in Kooperationen oder Allianzen. Ein Vorteil ist auch, dass wir inhabergeführte Unternehmen sind. So hat man den direkten Kontakt, die Entscheidungswege sind kürzer. Alles wird schnell und flexibel umgesetzt.  

Spielt da auch so etwas wie die ostwestfälische Mentalität eine Rolle?

Rotte: Wir sprechen grundsätzlich eine Sprache, sind nah beieinander, haben einen ähnlichen Kernmarkt. Gerade bei Entwicklungsprojekten ist es vorteilhaft, dass es schnell und unkompliziert geht. Die hier ansässigen Kunden kennen den einen oder den anderen oder beide. Und jetzt wird auch wahrgenommen, dass wir kooperieren.

Koch-Ugolini: OWL ist generell eine Region, in der viel Know-how, Maschinenbau und Zulieferer zu finden sind.  

Rotte: Etwas globaler gesprochen, ist Ostwestfalen schon eine Wirtschaftsinstitution – in NRW, aber auch in Deutschland. Wir haben in OWL eine Vielfalt von Unternehmen, an Kompetenzen, was unter Umständen gar nicht so wahrgenommen wird. Wichtig ist, dass wir uns auf unsere Stärken konzentrieren. Und gerade eine Kooperation in OWL kann nur dazu beitragen, die Wirtschaftsinstitution OWL zu stärken.        

Kerstin Koch-Ugolini und Benedikt Rotte im Interview.

Sie planen, komplette Bearbeitungszellen im Bereich der automatisierten Bohr- und Dübeleintreibtechnik anzubieten. Gibt es schon erste Aufträge?

Rotte: Konkrete Aufträge, die wir gemeinsam umsetzen, gibt es noch nicht – zumindest nicht für den Endkunden am Markt. Anfragen aber gab es, daraus ist ja die Kooperation entstanden, die wir nun auf zwei unterschiedlichen Wegen angehen. Da ist zum einen die Entwicklung im Standardmaschinen-Bereich und zum anderen das individuelle Begegnen von Kunden mit Lösungen. Peu à peu wird die Kooperation mit Leben gefüllt, zum Beispiel durch gemeinsame Vertriebsmeetings. Wir haben unseren roten Faden für die nächsten Monate, den wir auf verschiedenen Ebenen akribisch abarbeiten. Durch die wirtschaftliche Lage ist es aktuell so, dass einige Investitionen zurückgestellt wurden. Da muss man durchhalten und die Dinge trotzdem weiterentwickeln. Werden wieder mehr Investments getätigt, dann können wir aus Anfragen, Entwicklungs- und Betriebsprojekten logischerweise Aufträge generieren.  

Koch-Ugolini: Solche Entwicklungs- und Vertriebsprojekte können sich zwei, drei Jahre hinziehen. Da treten wir in Vorleistung, was die Entwicklung anbelangt, um aktiv an die Kunden ranzugehen. Ein Beispiel: die „Sprint Base Line“, ein einseitiger Bohr- und Dübelautomat mit Hand-Beschickung. Dieser soll nun statt von einem Bediener von einem Roboter beschickt werden. Das ist ein Projekt, in das der Kunde noch nicht involviert ist, das sich aber in der praktischen Entwicklung befindet. Das heißt, beide Maschinenteile begegnen sich bald wirklich und werden zusammen erprobt. Wenn das Marktreife hat, gehen wir damit aktiv auf den Markt zu.  

Welche Kundengruppen haben Sie künftig gemeinsam im Blick?

Koch-Ugolini: Es fängt an bei flexiblen Lösungen für kleinere Unternehmen, die als Stand-alone-Maschinen auch in größeren automatisierten Werken stehen. So könnte man sich vorstellen, dass ein Küchenhersteller so eine einseitige Maschine vor der Endmontage hat, um Fehlteile nachzuproduzieren. Und es reicht bis hin zum Automatisieren von Produktionslinien für große Stückzahlen und große Unternehmen.  

Deutschland, Europa, Asien, USA – welche Märkte werden Sie bedienen?

Koch-Ugolini: Deutschland ist auf jeden Fall ein wichtiger Markt, weil wir hier die Kunden sehr regional bedienen wollen. Aber auch Europa und die USA spielen eine wichtige Rolle. Wir haben in Atlanta eine Filiale, beim heutigen Meeting beispielsweise ist die amerikanische Vertriebsmannschaft mit dabei, um das Spektrum von Rotte näher kennenzulernen.  

Rotte: Deutschland ist das Möbelfertigungsland in Europa schlechthin und deswegen unser wichtigster Markt. Für die Firma Rotte gesprochen, sind wir in Deutschland in diesem Bereich stark aktiv. Gefolgt von Europa und den USA. Das ist die Rangfolge. Asien ist von unserer Seite völlig untergeordnet.  

Koch-Ugolini: In Asien werden Robotik und Automatisierung meist lokal geliefert. Das würde sich höchstens im Rahmen eines großen Projekts anbieten.  

Rotte: Bei Rotte geht es durch die Zusammenarbeit ein wenig mehr in Richtung Internationalisierung. Wir sind im Bereich Möbelfertigung bisher auf den europäischen Markt beschränkt. Als Unternehmen liefern wir aber weltweit, auch in den US-amerikanischen Markt. Letzterer war in den letzten beiden Jahren in Folge sogar der Umsatztreiber – allerdings eben nicht in der Holz- und Küchenmöbelindustrie. Das könnte nun ein Zugang dazu sein, den US-amerikanischen Küchenmarkt mit Automatisierungstechnik zu bedienen. Das heißt für uns eine neue Branche in diesem Markt, nicht aber der Markt selber.  

Wie läuft die Erarbeitung eines individuellen Anlagen-Konzepts ab?

Rotte: Gesetzt den Fall, die Firma Koch wird mit einer Anfrage betraut und kommt irgendwann an die Grenzen des Lieferfähigen. Geht es da um die Automatisierung, stimmen wir uns in der Projektierungsphase ab, statten die Firma Koch mit allen notwendigen Informationen aus, um erste Aussagen treffen zu können. Wird das Ganze konkreter, tauschen sich die Vertriebskollegen intensiver aus und suchen den Kontakt zum Kunden, damit jeder seine Fachdisziplin bestmöglich einbringt.

Koch-Ugolini: Wenn es beispielsweise um Daten-Anwendung geht, die Schnittstelle zwischen Anfang und Ende der Linie, dann ist das Know-how von Rotte gefragt.  

Rotte: Das sind die beiden Wege, die wir verfolgen: einmal der Bereich der Standardmaschinen, dem wir mit einer Standard-Automatisierungslösung begegnen wollen. Und dann gibt es den Bereich der individuellen Projektierung. Gerade bei so individuellen Anlagen-konzepten wird es eine Gemeinschaftsleistung sein. Vor allem am Anfang sehr intensiv. Über die Zeit dann ein wenig selbständiger.  

Wie sieht die Aufgaben-Verteilung bei Projekten aus? Wer ist Ansprechpartner für die Kunden?

Rotte: Um das pauschal zu sagen, ist das der Erst-Angesprochene. Kundschaft kommt auf Koch zu, wenn es darum geht, bestimmte Bearbeitungsmaschinen anzuschaffen – und auf uns, wenn es um Automatisierungstechnik geht. Wir sind jetzt gerade in Projekten drin, in denen wir Sägetechnik einsetzen. Und da greifen wir auf die Komponenten und die Expertise von Koch zurück. Das kann also in beide Richtungen gehen.  

Treten Sie bei Messen gemeinsam auf? Und, wenn ja, auf welchen?

Koch-Ugolini: Wir werden im August auf der IWF in Atlanta sein. Da hat Koch traditionell einen großen Messestand, weil das für uns die zweitwichtigste Messe nach der Ligna ist. Benedikt Rotte wird mit Video-Material dort sein, um den Bereich der Automatisierungstechnik vorzustellen und für Kundengespräche, Anfragen und die Schulung unserer Vertriebsmannschaft zur Verfügung zu stehen. Die Ligna ist die Weltleitmesse. Dort wird der erste offizielle gemeinsame Messe-Auftritt sein. Zwar steigt der Stellenwert digitaler Produkte, wir werden aber auf Messen auch noch Maschinen zeigen.  

Das gesamte Interview lesen Sie in der HK 4/24

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