Handwerk ist keine Männersache

Wie sieht gutes Social-Media-Marketing in Schreinerbetrieben aus? Welche Strategien funktionieren für Möbelhersteller? Und wie kann man heute den Nachwuchs fürs Handwerk begeistern? Darüber sprach die HK in Hamburg mit Isabelle Vivianne, die als Influencerin im Fach-Handwerk rund 100.000 Follower hat und regelmäßig im Fernsehen über die Stärken der Gen Z informiert. Für das Interview hat „Die.Tischlerin“ uns die Türen ihrer Werkstatt geöffnet. Lesen Sie Teil eins schon jetzt hier online.

Isabelle Vivanne ist auf Social Media als „Die.Tischlerin“ sehr erfolgreich. Interview und Foto: Julia Gottschick

Isabelle Vivianne, warum sind Sie ursprünglich Tischlerin geworden?

Als Frau habe ich eine große Affinität zu Design und Kunst und finde, dass Handwerk genau das ist. Gerade das Tischler-Handwerk ist eine Mischung daraus – und nicht nur eine Dienstleistung. Ich wusste nach dem Abitur, dass ich nicht nochmal vier Jahre in ein verschultes System wie das Studium möchte und habe entschieden: Wenn ich eine Ausbildung mache, warum dann nicht etwas lernen, was eine echte Fähigkeit ist und mir für mein Leben etwas bringt? So kam der Gedanke auf, Tischlerin zu werden.

Sie selbst haben in der Ausbildung Mobbing vonseiten Ihrer Vorgesetzten erlebt. Welche Tipps können Sie Azubis geben, um durchzuhalten?

Ein einzelner Betrieb ist nur eine faule Frucht in einem Korb voller Äpfel. Es gibt viele andere tolle Betriebe. Deswegen ist meine Empfehlung: Bei den allerersten „red flags“ sofort mit Eltern und Mitschülern reden und fragen: Wie läuft es bei Euch? Sich einen Überblick über die Situation verschaffen, um einordnen zu können: Wie rechtens oder nicht rechtens ist dieser Umgang mit mir? Und dann zur Handwerkskammer zu gehen und den Betrieb zu wechseln. Niemand sollte aber von einem schlechten Betrieb auf das gesamte Handwerk oder gar die Branche schließen, geschweige denn resignieren und sagen: Ich mache etwas anderes.

Und heute sind Sie erfolgreiche Unternehmerin…

Mit dem Begriff tue ich mich schwer, weil ich mich nicht so fühle. Ich habe ja noch kein eigenes Möbelstück verkauft. Was ich sagen kann, ist: Ich bin erfolgreich darin, meinen Weg zu gehen – und das auch beruflich. Darauf bin ich stolz, das ist mir Erfolg genug fürs Erste und motiviert mich. Meine Ambition ist auch gar nicht, irgendwann einen Jahres-Umsatz von 50 Mio. Euro zu machen. Für mich ist das Nonplusultra, wenn ich gut aufgestellt und glücklich bin mit meiner Situation.

Eine gesunde Einstellung. Wie genau sah Ihr weiterer Werdegang nach der Tischlerlehre aus?

Meine dreijährige Ausbildung habe ich als Gesellin abgeschlossen und mich danach in Berlin als Sub-Unternehmerin selbstständig gemacht. Leider habe ich da mit einigen Kunden als Frau im Handwerk schlechte Erfahrungen gemacht. Mit meinem Äußeren, meinem Alter hatte ich das Gefühl, nicht ernstgenommen, von oben herab behandelt zu werden. Manche haben ihre Rechnungen nicht bezahlt. Allerdings passiert das auch männlichen Kollegen. Ich habe großen Respekt vor jedem Tischler, der da die Zähne zusammenbeißen muss. Jeder Handwerker kann sicher bestätigen, dass er seinen Beruf aus Leidenschaft macht und sich darüber bewusst ist, was er seinem Körper damit antut, welche körperliche Anstrengung das bedeutet.

Ihnen geht es also vor allem auch um die Wertschätzung.

Ja, darum, dass einem der Kunde mal ein Glas Wasser oder einen Kaffee hinstellt und zu verstehen gibt: Danke, dass Du mir mit Deinem Körper, Deiner Kraft und Deinen Fähigkeiten diesen Traum verwirklichst. Wo die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt, möchte man als Handwerker sagen: Dann eben nicht. Wir sind sehr stolz, uns unserer Fähigkeiten durchaus bewusst und es leid, uns unter Wert zu verkaufen. Gottlob ändern sich die Bedingungen gerade, weil wir volle Auftragsbücher haben, der Fachkräftemangel real ist und wir uns unsere Kunden aussuchen können.

Das heißt, Sie hatten damals dem Handwerk erstmal abgeschworen?

Ja, ich habe als Interior Designerin bei einem internationalen Design-Büro gearbeitet, Projekte in Linz und New York betreut und bei der Siemens-Villa in Potsdam einige Monate die Projektleitung übernommen. Irgendwann wurde mir das ein bisschen zu abgehoben, und der Bezug zum Handwerk hat mir gefehlt. Weil während Corona sämtliche Ausstellungen mit Gesellenstücken ausgefallen sind, habe ich die Nachwuchs-Kampagne „Youthcrafts.Festival“ gegründet, die das digital möglich machte. Dann habe ich wieder begonnen, bei einem tollen Chef als Tischlerin zu arbeiten – bis März dieses Jahres, als ich beschloss: Ich muss jetzt meinen eigenen Weg gehen und wieder nach Hamburg zurück, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Mein Chef ist sich sicher, dass ich sehr erfolgreich sein werde – und hat mir das auch gesagt. Das hat meine Wunden aus der Vergangenheit geheilt, und nun fühle ich mich bereit, in die Selbstständigkeit zu starten. Ende 2024, Anfang 2025 werde ich meinen ersten Möbel-Drop auf meiner Website launchen.

Was bedeutet das genau?

Der Drop bedeutet, dass es nur eine limitierte Stückzahl von Möbeln geben wird und diese nicht jederzeit in meinem Online-Shop bestellbar sind. Plan ist, das exklusiver zu gestalten, erstmal die Zielgruppe zu testen und ein Verständnis für meine eigenen Kapazitäten zu bekommen. Deswegen gibt es den limitierten Drop: Da kann innerhalb der ersten 48 Stunden bestellt werden. Und was ausverkauft ist, ist eben ausverkauft. Ich fühle mich gut dabei, weil ich die Kontrolle behalte.

Ihre Social-Media-Karriere ist auch nebenbei angelaufen. Wann fing das an?

Vor drei Jahren ungefähr – und eher schleppend. Ich habe zunächst gar keinen großen Fokus darauf gelegt. Ich war auf der Suche nach weiblichen Vorbildern, die in meinem Handwerk tätig sind. Doch die gab es nicht. Sich aber nur über Dinge zu beschweren statt sie zu ändern, finde ich sehr unangenehm. Deswegen habe ich mir selbst einen Kanal gestaltet und mit Instagram angefangen. Heute bin ich zusätzlich auf TikTok, YouTube und LinkedIn und mit über 100.000 Followern Deutschlands bekannteste Tischlerin. Ich glaube sogar, im ganzen DACH-Bereich.

Sie bezeichnen sich als „Craftfluencerin“. Was verbirgt sich dahinter?

Das bedeutet, Influencer im Handwerk zu sein. Es ist ja schon ein bisschen verschrien, Influencer zu sein – weil es oft damit verbunden wird, dass man eigentlich nichts kann und einfach nur Lifestyle-Content postet, um irgendwie Reichweite zu generieren und Werbeverträge abzuschließen. Aber was ich mache, ist das komplette Gegenteil. Ich habe etwas gelernt und möchte mehr Menschen dazu motivieren, etwas Vernünftiges zu lernen. Und so kam dieser Begriff auf. Ich war eine der ersten, die ihn benutzt hat, habe ihn aber nicht erfunden.

Das gesamte Interview lesen Sie in der HK 5/24

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