Energieeffiziente Möbelproduktion

Das Thema Energie- und Materialkosten brennt aktuell der gesamten Branche unter den Nägeln. Die HK hat deshalb zusammen mit Lignum Consulting den Expertengipfel „Energieeffiziente Möbelproduktion – Chancen und Herausforderungen in Zeiten knapper Ressourcen und steigender Preise“ veranstaltet. Hochkarätige Teilnehmer aus der Möbel- und Zulieferindustrie diskutierten über die Frage, welche Folgen der Kostendruck hat, wie man bei erneuerbaren Energien vorankommt und ob eine klimaneutrale Fertigung in absehbarer Zeit realistisch ist. Einen Auszug des Expertengipfels lesen Sie hier, den vollständigen Beitrag finden Sie in den HK-Ausgaben 2/23 und 3/23.

Spannende Diskussionen prägten den HK-Expertengipfel bei Lignum Consulting in Kupferzell.

Wie stark belasten die gestiegenen Energie- und Materialkosten die Branche?

Max Heller (Schüller Küchen): In der Küchenmöbelindustrie konnten wir die teilweise exorbitanten Kostensteigerungen nicht unmittelbar an den Handel weitergeben. Die Kostenexplosion 2022 hat Schüller Küchen erstmalig dazu gezwungen, unterjährig eine Preisanpassung für unsere Produkte vorzunehmen, um wenigstens einen Teil der Kosten kompensieren zu können. Wir waren gezwungen, zu handeln. Für uns steht fest: Wir brauchen künftig mehr Transparenz bezüglich der Kosten für Zulieferprodukte. Die Verhandlungen, die wir geführt haben, waren nicht immer einfach. Aber durch die gute, langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten wurden vernünftige Lösungen gefunden. Die gestiegenen Kosten führen auch dazu, dass wir als Familienunternehmen unsere Prozesse noch intensiver im Hinblick auf Effizienz betrachten müssen. Inzwischen sehen wir eine Preisstabilisierung auf hohem Niveau und prüfen unsere Bezugsquellen auf Liefersicherheit und Versorgungsstabilität. Der Preis ist allerdings nicht das alleinige Kriterium. Es muss die gesamte Supply Chain betrachtet werden.

Michael-Bernd Wehmeyer (Egger): Wir haben in den vergangenen Monaten bei den Rohstoffen eine hohe Preisvolatilität erlebt und mussten uns permanent mit dem Thema Versorgungssicherheit beschäftigen. Gerade im Bereich Chemie waren wir gezwungen, die hohen Einkaufspreise zu akzeptieren, damit die Produktion weiterlaufen konnte. Beim Harnstoff lagen die Erhöhungen zeitweise bei über 100 Prozent. Auch beim Rohstoff Holz hätte niemand gedacht, dass es dort zu Kostensteigerungen von teilweise über 60 Prozent kommen würde. Auf solche Konditionen einzugehen, stellt eine enorme Herausforderung dar. Wir waren gezwungen, die Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben. Es ist insgesamt viel schwieriger geworden, Kalkulationssicherheit zu geben.

Holger Dzeia (Interprint): Ein Chemieriese hat natürlich eine enorme Marktmacht. Ich bin sehr für Partnerschaften, aber mit manchen Playern in der Supply Chain ist dies einfach nicht möglich. Die Größenverhältnisse müssen schon zusammenpassen, denn den kleinen Herstellern sind oft die Hände gebunden. Auch bei Interprint stand das Thema Versorgungssicherheit immer an erster Stelle. Wir haben im letzten Jahr sehr unter den Preiserhöhungen gelitten und konnten sie bei weitem nicht an unsere Abnehmer weitergeben. Obwohl ich schon sehr lange in diesem Geschäft tätig bin, muss ich sagen, dass ich eine solche Situation noch nicht erlebt habe. Ich befürchte, dass wir bei den Einkaufspreisen auf einem hohen Niveau bleiben werden. Dazu kommen die Inflation und tarifliche Lohnerhöhungen. Der Kostendruck wird also bleiben – und es wird kein Zurück zu den alten Zeiten geben. Deshalb werden Kooperationen immer wichtiger.

Andreas Albig (Rehau): Auch bei Rehau steht die Versorgungssicherheit an erster Stelle. Wir mussten teilweise drastische Konditionen akzeptieren, damit wir diese gewährleisten konnten. Den Kostendruck hat es schon immer gegeben, wenn auch auf einem anderen Niveau. Was allerdings neu ist, ist die starke Volatilität. Die Spitzen sind teilweise so in die Höhe gegangen, dass man als rohstoffintensives Unternehmen keine Chance hatte, das über einen längeren Zeitraum zu kompensieren. Zumal dieser Effekt auf die Gepflogenheiten der Möbelbranche trifft, in der Jahreskontrakte und Planungssicherheit für den Handel eine wichtige Rolle spielen. Wir sollten das Thema in beide Richtungen dynamischer gestalten, damit wir schneller reagieren können.

Guido Hübner (Assmann): In der Büromöbelindustrie gibt es – gerade im öffentlichen Bereich – sehr viele Rahmenverträge, die mitunter auf bis zu drei Jahre ausgelegt sind. Die Preiserhöhungen haben uns deshalb sehr hart getroffen, weil wir vor allem die stark angestiegenden Einkaufspreise bei Stahl, Holz und Kunststoff nicht im gleichen Umfang an unsere Kunden weitergeben konnten. Zudem mussten wir auf dem Energiesektor teilweise zu extremen Preisen einkaufen.

Max Heller (Schüller Küchen): Was mich an der Entwicklung besonders stört, ist die Unberechenbarkeit und Nichtnachvollziehbarkeit der Preissteigerungen von bestimmten Großunternehmen. Damit meine ich nicht die hier in der Runde vertretenen Unternehmen, die berechenbar und meist familiengeführt agieren, sondern große Konzerne im Bereich Chemie, Stahl oder Energie. Preiserhöhungen von teilweise 30 bis 80 Prozent haben ja nichts mehr mit der Realität zu tun.

Markus Kuhbach (Würth): Würth als reines Handelsunternehmen hatte mitunter ebenfalls mit 20, 30 oder 40 Prozent Preissteigerungen zu tun. Wir haben uns dafür entschieden, diese – soweit es ging – weiterzugeben. Im Chemiebereich meldeten Lieferanten „Force majeure“ (höhere Gewalt). Wie reagiert man darauf? Im Handwerksbereich, den wir von unserem Standort Gaisbach aus versorgen, muss man liefern können, ob man will oder nicht. Manchmal haben wir von den Preisen erst erfahren, als die Ware schon auf dem Schiff war. Und was die Energiekosten betrifft: Würth betreibt in Deutschland 560 Pickup-Shops, die beleuchtet werden und eine gewisse Mindesttemperatur haben müssen. Und alle unsere Härteunternehmen für Schrauben laufen bisher mit Gas. Das wird derzeit auf Elektrobetrieb umgerüstet, was funktioniert, aber dauert. Die vollständige Weitergabe dieser Kosten war und ist nicht möglich. Und aus meiner Sicht akzeptiert der Markt in der gegenwärtigen Situation auch keine weiteren dramatischen Preiserhöhungen mehr.

Uwe Kosok (SCM): Aus Sicht des Maschinenbaus waren die Anpassungen auf dem Energie- und Materialmarkt dramatisch. SCM arbeitet sehr viel mit Aluminium und Stahl, da haben sich die Preise in den letzten zwei bis drei Jahren zwischen 50 und 150 Prozent erhöht. Diese Steigerungen konnten wir nicht in der Geschwindigkeit, in der sie vorgenommen wurden, weitergeben. Generell ist es unser Anspruch, nicht alle „Mehrkosten“ auf unsere Kunden umzuwälzen. Wissend, dass wir eine sehr energieintensive Branche sind, beobachten wir die Entwicklungen ganz genau. Und wir versuchen, mit vielen unternehmensinternen Nachhaltigkeitsprojekten den steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken.

Daniel Schrenk (Leuco): Preise wurden aber nicht nur getrieben durch die Entwicklung auf dem Energie- oder Rohstoffmarkt, sondern auch durch eine teils irrationale Nachfrage. Wir hatten gerade bei den Großkunden mehrfach den Reflex, dass vom einen auf den anderen Tag der Dispo um den Faktor zwei oder drei erhöht wurde. Wir sind dann auf die Kunden zugegangen und haben gesagt, dass wir deren Produktbedarfe kennen und wissen, was individuell benötigt wird. Aber da hatten wir keine Chance, durchzudringen. Leider wird aus Fehlern der Vergangenheit auch nicht gelernt, denn jetzt erleben wir – wieder ohne Vorankündigung – den gegenteiligen Effekt. Plötzlich werden die Aufträge um Monate nach hinten geschoben. Die Ware liegt fertig in unseren Werken, aber geht nicht raus.

Karl Friedrich Rudolf (Möbel Rudolf): Als Möbelhersteller haben wir es inzwischen nur noch mit Oligopolen zu tun, sowohl auf der Lieferanten- als auch auf der Abnehmerseite. Dazu kommen die disruptiven Prozesse, die momentan stattfinden. Das macht es für uns sehr schwer. Aber vielleicht liegt darin auch eine Chance. Sie könnte darin bestehen, dass wir überlegen, welche Produkte denn wirklich klimaneutral sind. Wenn die Kosten für Standard-Material schon so hoch sind, wird die Differenz zu hochwertigeren Komponenten kleiner. Mit diesen könnte man den Markt für nachhaltige Möbel eventuell zielgerichteter bedienen. Möbel Rudolf versucht hauptsächlich im Umkreis zu sourcen, was aber nicht immer einfach ist. Beim Thema Beleuchtung etwa gibt es derzeit keine EVGs in Europa. Ich bin auch im Vorstand der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel, wir bringen demnächst ein RAL-zertifiziertes Nachhaltigkeitssiegel heraus. Das ist ein weiterer Step in die neue Richtung.

Von links: Karl Friedrich Rudolf (Möbel Rudolf), Dieter Rezbach (Lignum Consulting) und Max Heller (Schüller Küchen).
Holger Dzeia (Interprint, rechts) im Gespräch mit Max Heller (Schüller Küchen, Mitte) und Dieter Rezbach (Lignum Consulting).
Von links: Uwe Kosok (SCM), Daniel Schrenk (Leuco), Andreas Albig (Rehau), Guido Hübner (Assmann) und Michael-Bernd Wehmeyer (Egger).

Aktuelles

  • Raumgestaltende Schiebebeschläge: Hawa bietet praxisnahes Webinar an

    Neue Raumkonzepte mit einer Vielfalt an Anwendungen sowie Nutzen und Vorteile für den Verarbeiter stehen im Mittelpunkt eines Webinars, das die Hawa Sliding Solutions AG am Mittwoch, 24. April 2024 um 15 Uhr, zu ihren…

    Weiterlesen ›

  • Design 2024: Fundermax mit Instant-Möbeln für Staatspreis nominiert

    Fundermax ist mit Designerin Judith Burgard einer von acht Finalisten für den Österreichischen Staatspreis Design 2024 in der Kategorie „Produktgestaltung – Interior“. Mit einem Stuhl der Möbelserie Instant hat sich das Unternehmen bereits gegen zahlreiche…

    Weiterlesen ›

  • Kreislaufwirtschaft: Eggers erster Recycling-Sammelstandort in Italien

    Egger übernimmt eigenen Angaben zufolge eine Mehrheitsbeteiligung am italienischen Recyclingunternehmen Cartfer Urbania S.r.l. Der Kaufvertrag wurde jetzt abgeschlossen. Die Egger Gruppe erwerbe 60 Prozent der Anteile am Unternehmen mit Sitz in Urbania (IT), in der…

    Weiterlesen ›

  • Hettich: Auszubildende feiern ihren erfolgreichen Abschluss

    23 technische und zwei duale Studierende haben ihre Berufsausbildung bei Hettich an den Standorten Ostwestfalen, Balingen, Berlin und Frankenberg erfolgreich abgeschlossen. In feierlicher Atmosphäre im Hettich Forum in Kirchlengern sowie an den weiteren Standorten nutzten…

    Weiterlesen ›

Aktuelle Ausgaben:
HK 2/24 + Holzbau-Magazin

Die HK 2/24 beinhaltet ein großes Special zur Holz-Handwerk in Nürnberg. Dem Heft liegt das Supplement „Holzbau-Magazin“ bei. Die aktuelle HK-Ausgabe und die Supplements sind exklusiv für unsere Print-Abonnenten und deshalb online nicht verfügbar. Ältere Ausgaben finden Sie in der Rubrik E-Magazine.

HK 1/24 zum Durchblättern:
HK 1/24